Kunst
Marlie Mul. Das Budget
Kunsthaus Glarus, Glarus
Muls Objekte haben organische Qualitäten. Sie sind wie flüchtige Gestalten, die sich allerdings ihrer figürlichen Tendenz und ihrer eigenen Künstlichkeit bewusst sind. Oft verwendet die Künstlerin Materialien, die in subtiler, mitunter irritierender Weise auf körperhafte Elemente wie Knochen, Haare, Haut oder Körperflüssigkeiten verweisen. Die Aufmerksamkeit für unscheinbare, alltägliche Dinge ist dabei keine beiläufige Geste, sondern entsteht aus einem Interesse an kleinen Differenzen, an Transformationen und Widerständen im gesellschaftlich codierten Raum. Muls Skulpturen sind wie leise Kommentare auf Strategien des sozialen Austauschs.
Für die Ausstellung Das Budget im Kunsthaus Glarus ist eine neue Serie von Arbeiten entstanden, die das Falten als Handlung und als Metapher in den Mittelpunkt stellt – entwickelt ausgehend von früheren Untersuchungen zur Struktur und Logik des Faltens in der Werkserie Unnamed Charms, die kleine, dicht gefaltete, bijouartige Objekte aus Silikon mit Haaren und kleinen Plastikknochen kombiniert zeigt. In den aktuellen Werken werden flache, selbstgefärbte und übereinander gelagerte und gefaltete Silikonplatten von Metallstäben durchdrungen und durch Schrauben in Form gehalten. Indem nur wenige Parameter wie Grösse und Opazität verändert werden, bringen die Objekte eine Verbindung von Grafischem und Skulpturalem zum Ausdruck.
Der modernistische Ausstellungsraum, in den 1950er-Jahren entworfen, um Malerei, Skulptur und Grafik unter «idealen» Bedingungen zu präsentieren, wird zum aktiven Gegenüber von Muls Arbeiten. Ihre Objekte treten in einen Dialog mit Materialien und Techniken, die ebenfalls in den 1950er-Jahren an Bedeutung gewannen – darunter Kunststoffe, Silikone sowie Guss- und Härtungsverfahren. Die metallenen Elemente ihrer Arbeiten erinnern an orthopädische Schrauben und Werkzeuge, wie sie zur Ausrichtung und Stabilisierung des Körpers eingesetzt werden. Während die weichen Silikonformen körperliche Assoziationen hervorrufen, übernehmen die Metallelemente eine strukturierende, fast korrigierende Rolle.
Der Ausstellungstitel Das Budget kann in unterschiedliche Richtungen gelesen werden. Er könnte auf Restriktionen hinweisen, auf das generelle Verhältnis von Geld und Effizienz oder auch auf einen Mangel – darauf, dass man womöglich bald «den Gürtel enger schnallen» muss. Andererseits leitet sich das Wort «Budget» in der französischen Etymologie vom Wort «bouge» (Reisesack) und «bougette» (kleiner Ledersack für Geld) ab. In den Objekten selbst entsteht eine Verbindung zu dem so eröffneten Assoziationsraum durch deren Bearbeitung. Durch Raffung, Schichtung, Faltung und in Form gehaltene Materie wird eine gewisse Anspannung in den Werken sichtbar. Es entsteht eine seriell zu betrachtende Situation, die am Platz gehaltene, angereicherte Energie als räumliche Anordnung untersucht.
Marlie Mul (geb. 1980 in den Niederlanden, lebt und arbeitet in Brüssel) hat Mode- und Textildesign, Bildende Kunst sowie Architekturgeschichte und -theorie studiert. Ihre Arbeit bewegt sich zwischen Skulptur, Druck, Malerei, Mode, Grafikdesign, Bildung, Text, Vertrieb, Experimenten mit Branding und der Organisation verschiedener Plattformen, wie zum Beispiel ihren Projekten Hermany und PMS. Zuletzt waren ihre Arbeiten in Les Bains Douches, Alençon, 243 Luz, Margate, und Laurenz, Wien (2025), Rob Tufnell Gallery, London, Gaylord Fine Arts, Los Angeles, und FRAC, Elsass (2024); Croy Nielsen, Wien, Flat Time House, London, und Wiels, Brüssel (2022); MACRO – Museum für zeitgenössische Kunst, Rom (2021); Ujazdowski Castle Centre for Contemporary Art, Warschau (2020); FRAC Lorraine, Metz und Mostyn, Llandudno (2018); Kunsthalle Wien (2023 und 2016), Berlin Biennale (2016); Swiss Institute, New York, Kunsthalle Bern und Witte de With, Rotterdam (2015); Sculpture Center, New York, Taipei Fine Arts Museum, ICA London, Fridericianum Kassel und Ullens Center for Contemporary Art, Peking (2014); sowie White Columns, New York (2012). Neben ihrer künstlerischen Tätigkeit ist sie in der Kunstpädagogik tätig und leitet derzeit den Master of Fine Arts an der KASK in Gent. Zuvor leitete sie das MFA-Programm an der HEAD in Genf.
Zur Ausstellung erscheint eine Interview-Broschüre mit einem Gespräch zwischen Marlie Mul und Melanie Ohnemus.
Datum
jeweils Mi bis Fr 12:00 - 18:00 Uhr
jeweils Sa, So 11:00 - 17:00 Uhr
Adresse
Kunsthaus Glarus
Im Volksgarten
8750 Glarus
Kontakt
office@kunsthausglarus.ch
+41 55 640 25 35
+41 55 640 25 19
Kategorie
- Kunst
Art der Ausstellung
- Sonderausstellung
Webcode
www.glarneragenda.ch/usyYKQ