Höchste Eisenbahn für die Klimabildung bei Jung und Alt - 1

Gesellschaft

Höchste Eisenbahn für die Klimabildung bei Jung und Alt

Mit dem Klimawandel wurde ich das erste Mal zwischen einer Französisch- und einer Mathematikstunde konfrontiert. Damals war ich 16 Jahre alt. Es war mein fünftes Jahr an der Kantonsschule Glarus.

Was ich als 16-Jähriger lernte: Wenn wir ungebremst weiter CO2 in die Atmosphäre ausstossen, wird unsere Welt nicht mehr dieselbe sein. Immer mehr Menschen leiden unter immer höheren Temperaturen und deren Folgen. Schon heute nehmen im Glarnerland Naturkatastrophen zu und der wertvolle Schutzwald ist gefährdet.

Die Welt steht auf dünnem Eis und droht einzubrechen: Diese Erkenntnis war für mich mit 16 Jahren ein Schock. Ebenso, dass politisch kaum etwas unternommen wurde. 2019 entschieden sich deshalb weltweit Millionen von Schülerinnen und Schülern, die ebenso geschockt waren, auf die Strassen zu gehen und sich für die Zukunft zu engagieren.

Seither geht die Klimabewegung nicht nur auf die Strassen, sie lernt auch viel freiwillig: zum Beispiel an webbasierten Seminaren mit Fachleuten oder mit Podcasts über Lösungen im Umgang mit der Klimakrise. Diese Lerninhalte sind für die Öffentlichkeit kostenlos zugänglich.

Obwohl die Fakten zur Klimakrise und deren Konsequenzen seit über 30 Jahren bekannt sind, packt sie das Schweizer Schulsystem erst jetzt mit dem Lehrplan 21 an. Klimabildung beginnt nun bereits im Kindergarten, statt erst an der Kantons- oder Berufsschule. Dadurch sind Menschen auf dem Weg ins Erwachsenenalter künftig nicht länger ratlos und verzweifelt.

Kinder und Jugendliche teilen also schon bald ihr Wissen zuhause. Aber auch Eltern und Grosseltern können sensibilisieren und lernen – zum Beispiel bei einem Ausflug in eines der Natur- und Sonderwaldreservate im Glarnerland. So fühlen sich im Gebiet Äugstenwald-Holzflue zahlreiche Tier- und Pflanzenarten wohl und sind im Silberwald die Folgen des Borkenkäferbefalls deutlich zu sehen. Auch eine Besichtigung des Pumpspeicherkraftwerks Linth-Limmern kann für Kinder eindrucksvoll und für Eltern lehrreich sein. Oder Eltern erzählen Geschichten aus Kinderbüchern über den Klimawandel. Eines davon, stammt aus der Feder eines Glarners: Geissbock Charly rettet seine Freunde.

Zurück auf die Schulbank, zum Lehrplan 21 und zum wichtigsten Ziel der Bildung für nachhaltige Entwicklung: Kinder und Jugendliche lernen, sich aktiv und selbstbestimmt an der Gestaltung der Gegenwart und der Zukunft zu beteiligen. Einerseits geht es um die Verwirklichung der Persönlichkeit, andererseits um Verantwortung und Partizipation. Ebenso übernimmt die Lehrerschaft gemeinsam Verantwortung. Auch das Übereinkommen von Paris schreibt in Artikel 2 das Prinzip der «gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung und Möglichkeiten» fest.

Klimabildung bleibt nicht nur eine Aufgabe des Lehrplans, sondern ist ein gesellschaftlicher Prozess. Deshalb muss die Bevölkerung die Möglichkeit haben, sich der neuesten Entwicklungen und Erkenntnisse bewusst zu sein. Im August und September findet zum Beispiel in Glarus eine Ausstellung über nachhaltiges Einkaufen statt. Dann erhalten Jung und Alt einen Einblick in die Auswirkungen des persönlichen Konsums und erfahren, wie das Konsumverhalten nachhaltig gestaltbar ist.

Um nicht bis August warten zu müssen, können Glarnerinnen und Glarner schon heute Unverkpackt-Läden und Wochenmärkte ansteuern, regionale und vegetarische Lebensmittel in den Einkaufskorb legen sowie sich für nachhaltige Mode und gebrauchte Spielwaren entscheiden. Geräte lassen sich – auch an speziellen Aktionstagen – reparieren, statt sie wegzuwerfen. Zudem: Weil rund 60 Prozent aller Einkäufe in einer Tragtasche Platz haben, kann das Auto für den Einkauf auch mal in der Garage bleiben.

Viele Möglichkeiten und Grundlagen bestehen schon heute – jetzt geht es um die Umsetzung. Wir haben viel zu spät angefangen, die Klimabildung  gesellschaftlich einzubinden. Beginnen wir jetzt damit – es ist höchste Eisenbahn.

Autor: Kaj Weibel Vorstandsmitglied von KlimaGlarus.ch

Dieser Beitrag ist heute in den Südostschweiz Glarner Nachrichten als Tribüne erschienen. Vielen Dank.

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  • Gesellschaft

Publiziert am

17.05.2021

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