Blumen und Streicher
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aufgepasst!
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das ganze Orchester
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Fidelia Jiang
Fidelia Jiang

Glarus

Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven zu Gast in der Aula

An einem dunklen regnerischen Herbstabend lud das verstärkte Glarner Kammerorchester unter der Leitung von Reto Cuonz und begleitet von der Pianistin Fidelia Jiang zum Sinfoniekonzert in die Aula der Kantonsschule Glarus ein.

von Eva Gallati, Kulturbloggerin

Festlich in schwarz gekleidet erscheinen die Musiker:innen auf der Bühne, das Konzert kann beginnen. Was für uns auf den bequemen Sitzbänken ein Anfang ist, bedeutet für die Musizierenden einen Abschluss: seit dem Frühling haben sie für den heutigen Abend geprobt, alleine zuhause und gemeinsam, an Abenden und an Probe-Wochenenden. „Sieben Proben innerhalb von zehn Tagen, das war schon happig!“ sagt meine Blogger-Kollegin Swantje Kammerecker, die mit ihrem Ehemann zusammen beim Kammerorchester mitspielt. 

An einer der Proben durfte ich als Fotografin dabei sein und die Aula durch den Künstlereingang betreten – den ich natürlich erst suchen musste. Eine Rampe führt ins Untergeschoss der Kantonsschule, nachher ging es dem Gehör nach, und plötzlich stand ich hinter dem Orchester und liess kalte Luft herein. Exgüsi!  Geprobt wurde das Konzert Nr. 2 in B-Dur, Op. 19 für Klavier und Orchester von Ludwig van Beethoven, Pianistin Fidelia Jiang war da, auch die Bläser:innen und die beiden Bassisten von auswärts sowie die beiden einheimischen Geigenlehrerinnen.










Was für ein Sound!

Vor dem Konzert und hinter (respektive unter) den Kulissen konnte ich mit einigen Orchestermitgliedern sprechen. Viele bekannte Gesichter aus Glarus begegneten mir, bei einigen war ich überrascht, sie hier anzutreffen, anderen war ich schon oft „musikalisch“ begegnet:

Susi Mazzolini, die Dienstälteste im Orchester, seit über 60 Jahren an der Viola!  Peter Ferndriger, Konzertmeister seit 2005, erzählt mir Neues und Wissenswertes über die Organisation eines Orchesters, Reto Cuonz berichtet von seiner Jugend ohne Musikschule in Braunwald, Katharina Ihde, Psychotherapeutin und Violinistin, freut sich über den Besuch ihres Sohnes am Konzert, Christina Härter, ebenfalls an der Violine, tritt in einem Outfit aus meinem Lädeli vor’s Publikum. Der schöne Blumenschmuck der die Bühne ziert stamme aus dem Garten von Barbara Sulzer, die in Mollis im Rosenhof wohnt, erfahre ich. Er sieht aus wie aus einem noblen Geschäft!

Ich spreche auch mit Sigrist und Gitarrenbauer Markus Bissig, der kurzfristig zum Eintrittskarten-Kontrolleur berufen wurde. Seine Frau Catherine Fritsche spielt heute Violoncello (sie ist Multi-Instrumentalistin). Markus Bissig hörte schon als kleiner Bub als einziger in der Familie gerne klassiche Musik, seinen Einstieg fand er über Beethovens Violinkonzert.

Die Atmosphäre vibriert von Vorfreude und Aufregung. Das Publikum strömt herein.

Ich frage mich wieder einmal, wie wichtig gemeinsame Interessen in einer Beziehung sind – also nicht einfach Interessen, sondern Leidenschaften. Muss man da mithalten können, etwas davon verstehen, oder reicht es einfach, dabei zu sein und sich zu freuen, dass der/die Liebste sich so tief mit einer Sache einlässt…?


 

Aber egal, jetzt beginnt das Konzert!

Beim ersten Stück lasse ich einfach die Klänge auf mich wirken, bekannte Klänge! Wunderbar jedes Mal die Erfahrung mit den Vibrationen im Raum. Die Instrumente aus Holz und Metall bringen die Luft in Schwingung, die Töne bewegen die Seele. Ich lehne mich einfach zurück und geniesse die mozärtliche  (Danke für das Wort, FJ!) Seelen-Massage. Beethoven ist da ganz anders. Seine Musik wuchtet die Türe zu dunkleren Räumen auf und füllt sie dann mit schwerer Süsse. Weggetreten und abwechselnd halb in Tränen oder euphorisch und wie angetrunken gehe ich mit. Die so junge Pianistin gibt alles, alle geben alles hin, die Freude mit der gespielt wird ist alleine schon ein riesiges Geschenk. Ich schaue ins Publikum hinüber, eine ältere Dame tanzt mit ihren Händen, mit verzücktem Gesicht und geschlossenen Augen, während dem ihr Begleiter mit dem Handy das Orchester filmt. Drei Kinder sitzen nahe bei ihrem Vater, verfolgen gespannt und erstaunt die flinken Hände der Pianistin am Flügel. Meine Blicke schweifen durch den grossen Raum, die Bänke sind zu mehr als drei Vierteln besetzt von Jung und Alt. Das letzte Stück, Mozart’s Sinfonie Nr. 40 in g-Moll, KV 550, mutet an wie eine sonntägliche Fluss-Schifffahrt. Man kennt die Strecke, leicht und froh steigt man ein, trifft Freunde, fühlt sich wohl und sicher und lässt sich mit der Strömung treiben. Wir sitzen ja nur und haben nichts anderes zu tun, sind ganz ohne Ablenkung, und so weist die Musik uns aufmerksame Zuhörerinnen und Zuhörer auf Dinge hin, die wir so noch nie gesehen haben. Am Ufer, in der Landschaft tauchen Bilder auf, dass wir manchmal überrascht oder erschrocken zusammenzucken... Es ist kein Film, wir SIND auf dem Fluss, miteinander im Schiff, es bewegt sich und uns durch die Welt, auf einer schönen Bahn aus Musik. Ich denke an Margrit, wie sie nach dem Konzert gesagt haben würde: „es isch verruggt schüü gsi!“. Ich denke an die Menschen im Krieg. Wir sind so klein und dumm und vergänglich. Aber Mozart und Beethoven! Überhaupt gibt es so viel Kultur zu erleben, und das tut uns gut. Andächtig zuhören oder lachen oder tanzen oder staunen über die bildende Kunst, das alles macht uns zu besseren Menschen, davon bin ich überzeugt.

Jetzt hätte ich gerne eine Loge für mich alleine gehabt. Ein samtenes Polster, ein paar Kissen, eine Kerze und Dunkelheit um mich herum, bis an diesen privaten Raum hinan reichte dann der Glanz und die Welt nur, und niemand sähe mich.

Stürmischer Beifall brandet auf, das Orchester und der Dirigent kommen und gehen und verneigen sich und spielen Zugaben, es ist ein sehr erfolgreicher Abend für alle Beteiligten gewesen. 

 

 

 

Autor

Kulturblogger Glarus

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Kategorie

  • Glarus

Publiziert am

13.11.2023

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