Buch Vorderglärnisch
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Einblick in das Buch
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Berglesung
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Auf dem Gipfel
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Solothurner Literaturtage
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Glarus

Wie tönt der Vorder Glärnisch?

Anfang 2019 hat sich Claudio Landolt, Glarner Kulturpublizist, Autor und Musiker, in den Kopf gesetzt, einen Berg akustisch aufzunehmen. Aus über 100 Stunden Tonaufnahmen am Vorder-Glärnisch komponierte er eine sinnlich-poetische Hör-Reise aus Luft- und Körperschallaufnahmen, Sprachmemos und seismischen Wellen am und im Berg. Seit der Lancierung im April und dem Beitrag hier im Kulturblog ist einige Zeit vergangen - Grund genug für eine Bestandesaufnahme.

 

 Claudio, wie bist du auf die Idee gekommen, den Vorder Glärnisch akustisch aufzunehmen?

Die Silhouette des Vorder Glärnisch hat mich schon immer an einen Triangel erinnert. Irgendwann begann ich mich praktizierend für experimentelle Musik und Fieldrecordings zu interessieren und nahm mir für meine Masterarbeit in Kulturpublizistik an der Zürcher Hochschule der Künste vor, diesen Berg akustisch zu vermessen. Die Texte waren damals eigentlich nur ein Nebenzimmer. Eine Art Ausgleich oder Annexbau zur Tonwelt, die mir diese Recherche eröffnete.
Als ich meinem 6-jährigen Sohn sagte, ich wolle den grossen «Chlotz» da aufnehmen, entgegnete er mir: «Der tönt doch nicht». Da ich als ausgewanderter und zurück gekehrter Glarner zudem noch nie auf dem Vorder Glärnisch war, wurde diese Auseinandersetzung mit dem Berg auch zu einem Versöhnungsversuch mit einem Ort, der mir mittlerweile fremd geworden ist.

Du hast auch einen Gedichtband herausgegeben. Wie ist er entstanden?

Parallel zu den Tonaufnahmen habe ich einen Gedichtband geschrieben. «Nicht die Fülle nicht Idylle nicht der Berg» ist der Titel. Gleichermassen angetrieben von der Suche nach dem Klang eines Bergs entstanden verspielte Sprachminiaturen und Prosagedichte. Der Gedichtband mit Download-Code für das Klangstück ist im April 2021 im Verlag «Der gesunde Menschenversand» erschienen. https://vorderglaernisch.com

Wie bist du vorgegangen?

Zuerst war die Klangrecherche am Berg und dann eine kompositorische Auseinandersetzung mit diesen - über 130 Stunden - Aufnahmen. Die Texte wurden aus dem Ton geboren und ich glaube, das hört man ihnen an. Von März bis Ende Oktober 2019 unternahm ich 36 Aufnahmereisen an den Berg. Das begann mit konventionellen Luftschall-Mikrofonen. Dann begann ich auch mit selbstgelöteten Piezomikrofonen und Kontaktmikrofonen Objekte am Berg abzutasten und aufzunehmen. Felswände, Baumstrünke, Seilbahnen usw. Irgendwann begann ich auch mit Geophonen zu experimentieren und traf auf den Geophysiker Jeff Moore an der ETH, Zürich. Er fand meine Idee, den Berg als Klangkörper zu erfassen, dermassen verrückt und spannend, dass er beim Schweizer Erdbebendienst zwei Breitbandseismografen auslieh, um am Vorder-Glärnisch über mehrere Stunden die Bewegung des Bergs einzufangen. Diese Daten verwandelten wir später am Computer in Audio, in dem wir sie um ein Vielfaches schneller abspielten. Mein Vorgehen war dabei immer getrieben von der Idee und der Lust, Dinge einfach auszuprobieren, nicht unbedingt von einer wissenschaftlichen Systematik. Die Aufnahmesessions am Berg waren meditative Drifts, Annäherungen an die verschiedenen Klangsphären und Aggregatszustände dieses Objekts.

 

Das «Bergportrait» hat viel Aufmerksamkeit erhalten. Woran liegt das?

Glücklicherweise fand ich den besten Verlag für dieses Buch, den ich mir in der Schweiz nur vorstellen konnte. Der Luzerner Verlag „Der gesunde Menschenversand“. Der Verlag stiess viele Türen auf, aber ich habe auch einiges selbst ins Rollen gebracht. Zudem glaube ich, dass meine Arbeit interessiert, weil sie die uns sehr nahe Bergwelt mit einer ungewöhnlichen Perspektive untersucht und betrachtet. Glücklicherweise fanden sich auch die Geldgeber, um das Buch überhaupt zu produzieren. Und letztlich sprangen auch sehr viele Medien darauf an. Von der Südostschweiz über den Tagesanzeiger bis zum Radio SRF 1 und auch dem einen oder anderen internationalen Klangkunst-Blog.

 

Im Mai und Juni warst du mit deinem Werk - Buch und Tonbandaufnahmen - unterwegs, unter anderem an den Solothurner Literaturtagen, an der Zwischentonschau von Klangwelt Toggenburg oder im Maison du Futur in Zürich. Welche Erfahrungen hast du gemacht?

 

Zuerst war ich mir sehr lange im Unklaren, wie ich dieses doch eher sperrige Werk überhaupt aufführen soll. Mittlerweile habe ich drei Formate entwickelt; eine Lesung mit Gespräch, in der das Publikum ziemlich viel Kontext und Herkunft über die Töne und Texte erfährt, eine reine Klangstückaufführung im Sinne eines Tonbandkonzerts und eine performative Kurzlesung, eine Tonbandlesung. Alle Formate funktionieren gut und stossen auf positive Resonanz beim Publikum. Interessant ist, dass sich die vorhandenen Stoffe sehr unterschiedlich ausbreiten lassen und ich sehr flexibel auf Szene, Ort und Covid-Einschränkungen aufführen kann.

 

Hast du bereits neue Projekte im Köcher?

Im Moment noch keine, die spruchreif wären. Ich bin noch ein Weilchen mit dem Berg beschäftigt, habe aber schon Ideen für die Zukunft. Daneben habe ich noch einen 70-Prozent Job bei Radio SRF, eine Band – «Kotzfrucht» - und eine Familie mit zwei Kindern.

Nächste Lesungen: 

14. August 2021; Tonbandlesung und Gespräch mit Nina Brunner im Bsinti  Braunwald / www.bsinti.ch/programm
28.  Oktober 2021; Tonbandlesung im Literaturhaus Zentralschweiz, Stans www.lit-z.ch/litz-aktuell.htm l
5.November 2021; Tonbandlesung am Festival BergBuchBrig / Brig / 
www.bergbuchbrig.ch/programm

 

Teaser-Videos zum Buch:

https://vimeo.com/claudiolandolt

Links:

https://vorderglaernisch.com/

https://menschenversand.ch/produkt/nicht-die-fuelle-nicht-idylle-nicht-der-berg/

https://www.glarneragenda.ch/de/angebote_AhxwW4E

 

Wie könnte man das literarische Schaffen im Kanton Glarus besser fördern, was wäre dein Wunsch?

Dass kommende Produktionen und Buchprojekte weiterhin grosszügig unterstützt werden, auch wenn sie dann vielleicht mal nicht so direkt etwas mit dem Glarnerland zu tun haben, wie das Vorder-Glärnisch-Porträt.

 

Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg für neue Projekte. Eduard Hauser

 

 

 

 

 

 

Autor

Kulturblogger Glarus

Kontakt

Hauser Eduard
Blogger
Biäschenstrasse 10
8872 Weesen
hauser.eduard@gmail.com
079 375 81 99

Kategorie

  • Glarus

Publiziert am

22.06.2021

Webcode

www.glarneragenda.ch/sNYBVJ