Streicher, Bläser, Singende musizieren in Ennenda für Ruedi Ferndriger - 1
Streicher, Bläser, Singende musizieren in Ennenda für Ruedi Ferndriger - 1
Streicher, Bläser, Singende musizieren in Ennenda für Ruedi Ferndriger - 1

Glarus

Streicher, Bläser, Singende musizieren in Ennenda für Ruedi Ferndriger

Er hat das Musikleben im Glarnerland und vor allem Ennenda  geprägt - und belebt: der Musik-Allrounder Ruedi Ferndriger.  Ein Dreivierteljahr nach seinem Tod fand in Ennenda ihm zu Ehren ein buntes und fröhliches Gedenkkonzert statt. Ein Anlass, um ganz persönliche Erinnerungen aufleben zu lassen.

Wenige Stunden vor dem Gedenkkonzert an Ruedi Ferndriger treffe ich meine Kulturblog-Kollegin Eva Gallati zufällig in Glarus. Sie möchte auch zum Konzert kommen, und sagt, sie würde Fotos machen. Aber schreiben sollte ich: „Du hast ihn doch viel besser gekannt!“ Und so sieht das Konzertprogramm aus, bei dem unser Streichquartett Notabene, der Chor „Da Capo“ unter Leitung von Niklaus Meyer und das Feierabendorchester der Glarner Musikschule unter Leitung von Marianne Schönbächler mitwirken. Dessen 10-Jahr-Jubiläum wurde mit dem Anlass des Gedenkkonzerts verbunden.


Im Orchester.
 Ja, über Ruedi Ferndriger könnte man viel schreiben! Vor einem Jahr noch hat er mit mir und meinen Mitspieler/-innen im Glarner Kammerorchester musiziert, im Bratschenregister. Wir gaben alles, um der wohl grössten musikalischen Aufgabe der letzten Jahrzehnte gerecht werden zu können – nämlich der Glarner Oper Fiorina, die nach ihrer Wiederentdeckung anlässlich des 100-Jahr-Jubiäums der Kulturgesellschaft Glarus vier Mal in der Aula aufgeführt wurde, u.a. auch als Regierungskonzert. Es war, nicht nur für unseren ältesten Orchesterkollegen Ruedi, ein mentaler und auch körperlicher Kraftakt. Und wir haben bewundert, wie er trotz seiner schon eingeschränkten Gesundheit das Ganze gemeistert hat. Unser Orchester durfte dann den Videomitschnitt der Oper nach den Sommerferien schauen, auch da war Ruedi nochmals bei uns. Im September 2022 ist er verstorben, es kam trotz allem plötzlich, wir waren sehr ergriffen und trauerten. Unser Orchester hat dann auch am Abdankungsgottesdienst in der Kirche Ennenda musiziert, das war uns wichtig.




Das erste Konzert. Kennengelernt habe ich Ruedi schon viel früher. Er hat 2000 unser damals neu gegründetes Streichquartett Nota Bene (Marianne Schönbächler, Peter Ferndriger, mein Mann Andreas und ich) eingeladen, bei einem seinem legendären Ennendaner Kirchenkonzerte mitzuwirken. Ich fand das einen erstaunlichen Vertrauensvorschuss, da er ja nicht wusste, wie wir spielen. Das Konzert, an dem wir u.a. auch den von ihm gegründeten Kirchenchor begleiteten, war eine prägende Erfahrung und legte den Grundstein für eine jahrelange musikalische „Komplizenschaft“. Und für ein sehr familiäres Miteinander.

Chor, Stubeten, Feierabendorchester. Ruedi und seine Frau Annemarie sangen auch im Glarner Madrigalchor mit, dessen viele tolle Aufführungen, mehrmals auch Opern, ich in lebhafter Erinnerung habe. Aus diesem Chor (1969-2019, gegründet und geleitet von Niklaus Meyer) ging, nach dessen offizieller Auflösung, der kleine Chor „Da Capo“ hervor, welcher aber erst nach der Coronazeit wieder aktiv wurde. Ich glaube, nach den Tod seiner Frau Annemarie wurde die Musik für Ruedi nochmals besonders wichtig. Er musizierte nicht nur im Orchester, sondern spielte auch gerne Volksmusik bei Stubeten und er lernte im Alter nochmals ein Instrument: Kontrabass. Im „Feierabendorchester“ der Glarner Musikschule, gegründet und geleitet von der Violinlehrerin Marianne Schönbächler, war er somit das musikalische Fundament. Sein Enkel Silas, der wegen einer Behinderung beim Kontrabass-Lernen Unterstützung brauchte, war der Auslöser. Sie gingen zusammen in den Unterricht in die Glarner Musikschule. Davon erzählt bei der Begrüssungsansprache zum Konzert Marianne Schönbächler. Ruedi sei zudem in den letzten Jahren in Ennenda auch ihr Nachbar gewesen. Er fehle, sagte sie, aber sei doch auf eine Art immer unter hier präsent und wie „unter uns.“



Lebenswerk in der Kirche. Das ist tatsächlich in der Kirche Ennenda spürbar, wo ein wesentlicher Teil von Ruedi Ferndrigers musikalischem Lebenswerk stattfand. Sein Sohn Peter Ferndriger erzählt im Verlauf des Abends, wie er als Knabe den Vater bewunderte, als dieser den Kirchenchor dirigierte, immer grössere Konzerte mit vollem Orchester als Begleitung organisierte und durchführte und zudem Ansprachen vor dem Publikum hielt. So wollte Peter schon früh mit der Violine mitspielen, aber der Vater liess ihn erst noch warten, bevor er es erlaubte. Später kam es dann sogar dazu, dass Peter in den Konzerten als Konzertmeister mitwirkte.

 


Der Primarlehrer und sein Schüler.
 Auch Niklaus Meyer, Leiter des früheren Glarner Madrigalchors und jetzt des „Da Capo“- Chors, erzählt von seiner eindrücklichen ersten Begegnung mit Ruedi Ferndriger. Dieser kam als junger Primarlehrer nach Ennenda, Meyer war sein Schüler. Ferndriger muss ein grosses pädagogisches Talent gewesen sein, denn die Schüler waren sofort von ihm beeindruckt und fühlen sich ernst und wahrgenommen. Er schaffte es auch, dass der junge Niklaus seine Violine in die Schule mitnahm und man gemeinsam musizierte (was wohl damals auch schon für einen Buben nicht so einfach war, da er schnell als „Nerd“ galt). Dass Ruedi Ferndriger, im Gegensatz zu seinem Schützling Meyer, keineswegs aus einem musikalisch gebildeten Elternhaus kam, sondern aus ganz einfachen Verhältnissen, beeindruckte diesen besonders. Erst im Lehrerseminar hatte Ruedi Geige spielen gelernt und hatte sich – bis zu hin zur Leitung grosser Konzerte mit Chor und Orchester – das meiste selber erarbeitet. Er habe dann auch später Meyer, der schliesslich Profimusiker wurde, ab und an um Rat gefragt, wenn er das aufwändige Notenmaterial für seine Projekte vorbereitete.

Wie hat nun dieses Jubiläumkonzert geklungen? Da ich selber mitwirkte, kann ich das natürlich nicht unvoreingenommen sagen. Nur das Feierabendorchester, das am Anfang erst einen klassischen Teil, am Schluss einen unterhaltsamen mit Foxtrott, Charleston und Tango spielte, durfte ich von der ersten Reihe aus als Zuhörerin geniessen. Ich glaube, das hätte Ruedi gefallen! Im Mittelteil sang der „Da Capo“-Chor verschiedene Lieder, heitere und nachdenkliche. Die Begleitung für unser Streichquartett hatte Niklaus Meyer in vielen Stunden Schreibarbeit eingerichtet, so wie auch Ruedi immer wieder viel Zeit in seine Noten investiert hatte. Eine Besucherin sagte mir anschliessend, besonders hätten ihr die „Gesänge in der Natur“ op. 63 von Dvořák gefallen und sie passten auch zum naturverbundenen Ruedi. Ich persönlich fand auch der Schlussstück des Chors, Gabriel Faurés Madrigal, schön, weil es so unterschiedliche Stimmungen zeigte und weil mit dem Piano, das Niklaus Meyer nebst seinem Dirigat noch spielte, eine weitere klangliche Nuance dazu kam.




Mit unserer Streichquartett-Darbietung, die „Drei Etüden“ op. 58 des anwesenden Glarner Komponisten Kurt Müller Klusman, hat es eine besondere Bewandtnis: Ruedi hatte die Uraufführung letztes Jahr verpasst, weil er im Spital lag; zwei Tage später verstarb er. Vorher fragte er aber Peter noch wie das Konzert gewesen war, also beschlossen wir das neue Werk zu seinen Ehren nochmals aufzuführen. In der Kirchenakustik klang es wieder ganz anders als damals im Bohlensaal Näfels. Für den Komponisten klang es unterdessen gereift, er freute sich darüber. Die Harmonien sind nicht durchwegs tonal, die Rhythmen teils recht komplex. Eva Gallati schrieb mir nach dem Konzert, das Werk habe ihr sehr gefallen, sie habe sich von dieser Musik fast überwältigt gefühlt; für andere war dies zeitgenössische Werk vielleicht eher ungewohnt. Als Aufführende hat es uns auf jeden Fall gefordert, und ich spürte jeden Moment ganz stark, dass ich das Schönste und Beste aus jeder Note und Phrase heraus“lieben“ wollte, und dass Ruedi mich dabei anspornte. Gleichzeitig fühlte ich mich im lebendigen Gewebe der vier Stimmen getragen und umgeben, und das ist es wohl was Musik gerade im Streichquartett so speziell macht: Du hast deine eigene Stimme, die nur du ausfüllen kannst, aber die Musik funktioniert nur in der Verbindung; das Ganze ist mehr als die Summe der Teile! Dieses Sinnbild kann nicht nur für Musik, sondern auch für die menschliche Gemeinschaft gelten!

„Wo die Zeit endet, beginnt die Ewigkeit. Wo Worte enden, beginnt die Musik. Wo wir Musik teilen, wird das Ich zum Wir.“  Diese schlichten drei Sätze seien Ruedi Ferndriger gewidmet, in liebendem und ehrendem Andenken.

Text: Swantje Kammerecker, Bilder Kirche Ennenda: Eva Gallati

Autor

Kulturblogger Glarus

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Kategorie

  • Glarus

Publiziert am

13.06.2023

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