Wacholder / Bild Alexey Kurilovich, Unsplash
Wacholder / Bild Alexey Kurilovich, Unsplash
Duftöl / Bild Denise Chan, Unsplash
Duftöl / Bild Denise Chan, Unsplash
Lavendelfeld / Bild Julius Yls, Unsplash
Lavendelfeld / Bild Julius Yls, Unsplash

Glarus

Raus aus der Kuschelecke!

Pflanzen und ihre Düfte können mehr als einfach nur gut riechen und Teewasser färben. Zwei Aromatherapeutinnen aus Glarus bieten beliebte Workshops zu verschiedenen Themen an. Im letzten Herbst besuchte ich ihren Workshop unter dem Titel „Aroma-Wohlfühlabend“. Dabei und bei einem Gespräch unter sechs Augen erfuhr ich Spannendes - zum Beispiel, welche kulturellen Hintergründe die Welt für Düfte offenbaren.

Die Veranstaltung im Ladenlokal der Buchhandlung Baeschlin war schnell ausverkauft. Ich hatte es erst im zweiten Anlauf geschafft, einen Platz zu ergattern. Es erschienen etwa 20 Frauen, vorwiegend ü40, gepflegt, interessiert, freudig gespannt. Susan Hämmerli und Brigitte Blumer moderierten den Anlass gemeinsam. Begeistert berichteten sie aus ihrem unerschöpflichen Fundus an Wissen und Erfahrung, reichten wohlriechende Fläschchen und Gläschen herum und verteilten Infoblätter. Im Eintrittspreis inbegriffen waren ein Badesalz und ein Inhalierstift, beides zum selber Mischen, sowie ein bereits abgefülltes „Wohlfühl-Kuschelöl“ - und natürlich der reichhaltige Apéro. Aber dazu später.

Der Abend war für mich in vielerlei Hinsicht überwältigend: die Informationsmenge, die olfaktorischen Eindrücke, die beim Apéro nochmals verstärkt wurden, zudem fand alles inmitten von Büchern statt, die für mich eine ständige Quelle des Interesses und der Ablenkung sind.

Uraltes Wissen
Bei unserem Treffen vor ein paar Tagen wollte ich von Susan und Brigitte noch mehr erfahren über die Welt der Düfte und unseren Umgang mit ihr. Das Thema gewann vor vielen Jahren an Aufmerksamkeit, als im Zürcher Seefeld ein kleiner Ladeneröffnet wurde: Farfalla ist sicher vielen von uns ein Begriff. Plötzlich wurde die Neugierde geweckt über die Herkunft der Duftstoffe in Parfüm und Pflegeprodukten, es gab reine Aromaessenzen zu kaufen, Informationen über Herstellungsprozesse waren verfügbar und die industrielle Herstellung von synthetischen Duftstoffen wurde kritisch beurteilt. Inzwischen sind wir allgemein viel besser informiert, und deshalb will ich die kulturellen Hintergründe von Begriffen und den Platz der ätherischen Essenzen im Alltag beleuchten.

 


Verführende Worte
„Wohlfühl-“ (eingedeutscht für Wellness) und „Kuschel-“ (in englischer Sprache wird oft „Cocooning“ verwendet, sich in einen Kokon einspinnen wie eine Raupe, damit der Transformationsprozess zum Schmetterling stattfinden kann) – das sind Begriffe, die heute oft verwendet werden im Marketing für Pflegeprodukte. Mittlerweilen ist ja die sprachliche Verführung in der Werbung für Produkte des täglichen Verbrauchs angekommen, wie man in den Regalen der Grossverteiler erstaunt und oftmals belustigt feststellen kann… Da wird dem Stress goodbye gesagt, das Bad verspricht, ein einzigartiges Ich zu erschaffen, oder auf der Flasche steht "schön, dass es dich gibt!" Sprachliche Alternativen und einen Weg aus der Trivialität zu finden ist da schwierig! So haben qualitativ hochstehende Produkte oft weniger klangvolle Namen. Das Bedürfnis nach genussvollen Momenten, in denen man sich selber etwas Gutes tut und dabei zur Ruhe kommt, ist jedenfalls gross. Warm, wohlriechend und pflegend wünschen wir uns die Auszeit vom Stress, das Produkt darf gerne hübsch verpackt sein.

 

Die Wirkung nicht unterschätzen
 
Ätherische Öle verfügen über mächtige Wirkungen, die keinesfalls unterschätzt werden dürfen. Ihre unsachgemässe Anwendung ist sogar gefährlich. Die in den vorgestellten Pflegeölen verwendete Konzentration ist jedoch unbedenklich. Sie werden als „Aromapflege“ klassifiziert, die nächst höhere Stufe ist die „Aromatherapie“, die im Spitälern und Pflegeheimen in der Akut- und Palliativpflege eingesetzt werden und nur in die kundigen Hände von Fachleuten gehören.
Susan Hämmerli und Brigitte Blumer sind ausgebildete Aromatherapeutinnen, im Kantonsspital Glarus resp. im Salem Ennenda tätig, wo sie ihr Wissen täglich einsetzen. Einzelne Aromapflegeprodukte werden in der Pflegeroutine täglich eingesetzt, andere situationsbedingt und auf die jeweilige Patientin und ihre Bedürfnisse zugeschnitten. 

Was riecht hier so?
Alles Lebendige verströmt Gerüche, die Wurzeln, Blätter, Blüten, Früchte und Samen einer Pflanze riechen, schmecken und wirken unterschiedlich, aber auch Mensch und Tier haben ihre Ausdünstungen, je nach Körperstelle und Lebensphase. Speziell abgerichtete Hunde mit ihren feinen Nasen können Krankheiten im Frühstadium erkennen. Geruchsrezeptoren, d.h. Sinnesorgane, die Gerüche erkennen, befinden sich nicht etwa nur in unserer Nase, sondern auf der ganzen Körperoberfläche, sogar Eizellen geben einen Geruch ab, um vom Spermium gefunden zu werden! Forschungen auf diesem Gebiet fördert laufend solche erstaunlichen Erkenntnisse zu Tage. Einer der Pioniere der Riechforschung ist der 1947 geborene deutsche Biologe und Mediziner Prof. Dr. Hanns Hatt, siehe Leseempfehlungen am Schluss des Berichtes.

 


Gute und weniger angenehme Gerüche umgeben uns in jeder Lebenslage. Düfte wecken Erinnerungen, machen unsere Wohnräume gemütlich, suggerieren Reinheit, Feierlichkeit, machen Appetit. Grenzenlos ist ihre Präsenz, und sie lassen sich nicht eindämmen. Indem wir sie bewusst wahrnehmen, nehmen wir uns selber wahr, erzählen uns Geschichten, verbinden uns mit der Natur.

Blumen schmecken
Geruch verheisst Geschmack, und das durften die Kursteilnehmerinnen am Apéro erfahren, der den gelungenen Anlass abrundete. Winzige Mengen Aromaöl würzten die Dips, Snacks und Desserts und verliehen ihnen einen ganz besonderen Geschmack, der nicht mit demjenigen von gemahlenem Gewürz vergleichbar ist. Genüsslich probierten wir Süsses und Salziges. Es gab unter vielem anderen Panna Cotta mit Tonkabohne, Frischkäse mit Rosmarinessenz, dazu verschiedene Getränke, die nach Blumen schmeckten. Alles war liebevoll und dekorativ angerichtet, in kleinen Gläsern und hübschen Schüsselchen. Zu den Dips gab es Grissini. 
 

Empfehlungen

Wer sich näher mit diesem Thema beschäftigen möchte, findet bei Eliane Zimmermann hier viele Informationen, Kursangebote, einen Blog und Bezugsquellen für ätherische Öle


Bücher

Aromatherapie allgemein

Monika Werner / Ruth von Braunschweig: Praxis Aromatherapie, ISBN 978-3-13-243471-4

Sabrina Herber/ Eliane Zimmermann: Aromatherapie für Kopf und Seele, ISBN 978-3-8186-1432-4

Eliane Zimmermann: Aromatherapie, ISBN 978-3-424-15427-6

Barbara Krähmer: Ätherische Öle kompakt, ISBN 978-3-424-15275-3

Martin Henglein: Die heilende Kraft der Wohlgerüche und Essenzen (nur noch antiquarisch erhältlich)

Susanne Fischer-Rizzi: Himmlische Düfte, ISBN 978-3-03800-579-7

Kochen mit Aromaölen

Sabine Hönig, Ursula Kutschera: Aroma-Küche, ISBN 978-3-7020-1343-1

Maria M. Kettenring: Duftküche (erhältlich bei aromalife.ch)

Riechforschung

Hanns Hatt, Regine Dee: Niemand riecht so gut wie du, ISBN 978-3-492-25747-3

Hanns Hatt, Regine Dee: Das kleine Buch vom Riechen und Schmecken, ISBN 978-3-328-60151-7



von Eva Gallati

 

Autor

Kulturblogger Glarus

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Kategorie

  • Glarus

Publiziert am

28.02.2023

Webcode

www.glarneragenda.ch/dV4XSW