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Glarus, Ostschweiz

Philosophie alltagstauglich und höchst unterhaltsam

Erste, letzte und ständige Fragen. Philosophie als Nahrung für den Geist. Darum ging es am Vortragsabend in der Landesbibliothek Glarus mit dem Bestsellerautor Wilhelm Schmid am 2. November.


Verlegerin Gaby Ferndriger war es gelungen, den gefragten Autor und Redner Wilhelm Schmid nach Glarus zu holen, wo er in der Reihe «Baeschlin littéraire» auftrat. Sie stellte den Philosophieprofessor vor, der als Bauernsohn unter sechs Kindern aufwuchs und auf dem zweiten Bildungsweg zu seinem heutigen Beruf gekommen war. Heute hat er mit über 30 Büchern, die in 19 Sprachen übersetzt und mehr als eine Million Mal verkauft wurden, ein weitreichendes Echo auf seine durchaus alltagstaugliche Philosophie gefunden. Sind es doch keine abgehobenen Themen, sondern lebensnotwendige, drängende Fragen, denen sich Menschen ausgesetzt fühlen. Wie sollen sie Sinn und Glück, Schmerz, Tod und Verlust, Liebe und Erfolg verstehen und für sich selbst eine gültige Antwort finden? Erst seit kurzer Zeit in der Menschheitsgeschichte, nämlich nachdem die Religionen ihre Deutungshoheit zumeist verloren hätten, seien wir nun selbst dafür zuständig «uns das Leben zu erklären», so Schmid. Das sei oft mehr als schwierig, und auch die Wissenschaft, an der man sich gerne festhalte, können nur vorübergehende Antworten geben. Auch die jüngeren, besonders enthusiastischen Forschungsgebiete wie Neurobiologie und Genetik kämen immer wieder auf neue, gar konträre Entdeckungen. Wilhelm Schmid hält es mit Sokrates, Sohn einer Hebamme, der den Menschen auf Marktplätzen gerne Fragen zum Leben stellte, um deren eigene Gedanken «zur Welt zu bringen.» Was Sokrates betrieb, nannte er Seelsorge – lange bevor die Theologen diesen Begriff für sich beanspruchten. Und als Schmid vor Jahren für philosophische Sprechstunden ans Spital Affoltern am Albis berufen wurde, wurde auch er zum Zuhörer und Seelsorger. «Ich war selber völlig überrascht vom nicht abreissenden Zulauf auf dieses Angebot», erzählt Schmid. «Ich fragte nach, was die Menschen daran anzog und erhielt die Antwort: ‘Sie geben uns geistige Nahrung’. Ja, das gibt es tatsächlich: Menschen brauchen auch diese Art Nahrung neben der für den Körper und die Seele. Nahrung für Seele, das kennen sie auch: Das sind die Gefühle, welche wir mit anderen austauschen… und ja: Auf allen drei Gebieten kann man auch Schmerzen haben: Körperlich, seelisch, geistig.» Wenn ein Mensch Probleme habe, sei das aber nicht nur schlecht: «So ein Problem ist wie eine Haltestange, ganz ohne ist man manchmal verloren. Kennen Sie nicht auch Leute, die sich unglaublich dafür einsetzen, sich bestimmte Probleme aufzuhalsen?» 


 


Mit angenehm ruhiger Stimme, in wunderbarer, treffsicherer Wortwahl, mit Humor und der offenen Art eines nachdenklichen Menschenfreunds sprach Schmid mehr als fünf Viertelstunden, und das Publikum hing an seinen Lippen. Aha-Erlebnisse, kleine Lacher, dann wieder ernstes, konzentriertes Zuhören, das alles erfüllte die vollbesetzte Piazza der Landesbibliothek. Auf seiner spannenden Tour d’horizon durchstreifte Schmid mit allerlei Beispielen Seelenlandschaften und deren Nöte. Mitunter komme man auf Suche nach Lösungen zu kuriosen wie erhellenden Fragen und Hypothesen, zum Beispiel: Würde der Mensch, wenn das Ich unsterblich wäre, so langweilig leben wie die Pantoffeltierchen, welche ihr Leben durch klonen immer wieder erneuern? Wäre man dann je zum Mond geflogen? Was hätte dann noch Bedeutung? Was macht es mit der Beziehung, wenn man seinen Partner als Hobby sieht? Könnte das Leben, wenn man nur Freude hätte, noch schön sein? Jeder erzählt am liebsten von sich – aber was passiert, wenn man dem anderen plötzlich zuhört? Wie kann man die Lebensenergie erhöhen (durch Liebe und Licht) und den glücklichen Zufall wahrscheinlicher machen? Wie ändert sich die Arbeit in einem Betrieb, wenn wir anfangen, unsere Perspektiven zu wechseln? Gibt es einen Tod, der nicht zur Unzeit kommt?


Ernste Themen, wichtige Themen. Und so war es nur gut, dass es auch hinterher noch Zeit zum Fragen und zum Stöbern am Büchertisch gab. Für Schmid, der schon viel von Glarus gehört hatte und nun das erste Mal da war, stand fest: «Ich muss wiederkommen. Und dann mit meiner Tochter Anna Blume wieder in das Café gehen, das auch so heisst!»  


 


 Swantje Kammerecker

Autor

Kulturblogger Glarus

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Kategorie

  • Glarus
  • Ostschweiz

Publiziert am

03.11.2017

Webcode

www.glarneragenda.ch/LdCuS8