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Neuer Ausstellungskatalog über Daphne Ahlers "Die Würflerin"
Das Kunsthaus Glarus hat zur Ausstellung von Daphne Ahlers vom 27. Mai 2022 den Ausstellungskatalog „Die Würflerin“ herausgegeben. Das Buch ist bei Mousse Publishing in Mailand erschienen und im Kunsthaus Glarus erhältlich. Die Künstlerin bezieht sich bei ihren Arbeiten auf soziologische und gesellschaftliche Ausprägungen der Geschlechter in der aktuellen Gesellschaft.
Daphne Ahlers Buch steht unter dem Titel «Die Würflerin». Würfler haben in ihrem Leben mit dem Würfelvorgang versucht ihre Entscheidungen im Leben zu festigen und der Langeweile oder dem Courant normal zu entfliehen. Im Roman von George Cockcroft von 1971, geht der Psychiater von einer multiplen Persönlichkeit aus. Der Würfel hilft die Persönlichkeit zu entdecken. Es ist ein Kult um die „Würfeltheorie“ entstanden, der an die Spieltheorie in den Wirtschaftswissenschaften erinnert.
Daphne Ahlers: Buchcover "Die Würflerin", Foto: Gunnar Meier
Die Objekte der Künstlerin lassen sich zwei Grundausprägungen zuordnen. „Soft Sculptures“, die sich mit weichen Materialien auseinandersetzen und „Shell Sculptures“, die vor Gewalteinwirkungen schützen wollen. Ahlers wählt für ihre Arbeiten das Motiv der Schamkapsel, das einerseits als Element der vorherrschenden, männlichen Mode aus dem Kampfsport bekannt ist. Diese Grundform dient für verschiedene Variationen, die mit weiteren Elementen versehen sind. Die Schleife ist ein weiteres Motiv mit einer langen kulturellen Tradition. Ihre Motive werden einer multiplen Überarbeitung unterzogen und aus weiblicher Perspektive überarbeitet. Die Künstlerin greift auf verankerte Symbole patriarchaler Bilder zurück und überführt diese zu neuen Ausdrucksweisen. Es geht darum einen die Geschlechter trennenden Denk- und Handlungsspielraum zu thematisieren. Der von ihr gewählte Werkstoffbereich knüpft an die Veränderlichkeit und Formbarkeit von gesellschaftlichen Erscheinungsformen an.
Die Auseinandersetzung mit den Geschlechterrollen
Die Auseinandersetzung mit den Geschlechterrollen ist ein aktuelles soziologisches Phänomen. Es ist nicht immer eindeutig und klar, zu welchem Geschlecht sich Menschen hingezogen fühlen. Die Genderdiskussion legt davon Zeugnis ab. Das Weibliche steht als Archetyp nach wie vor dem Männlichen gegenüber, wird aber in der gesellschaftlichen Entwicklung aufgeweicht. Die Transdiskussion erfährt eine breitere Öffentlichkeit und die „Ehe für alle“ hat auch in der Schweiz die Auseinandersetzung mit den Geschlechterrollen beflügelt und zur politischen Legitimation geführt. Aus der analytischen Psychologie sind die Archetypen „Anima“ und Animus“ seit vielen Jahren bekannt. Sie gehen davon aus, dass es Frauen mit männlichen Anteilen und Männer mit weiblichen Anteilen gibt. Diese Grundelemente bestimmen unbewusst das Zusammenleben der Geschlechter. Die zeitgenössische Geschlechtertheorie geht davon aus, dass es immer mehr weibliche Männer und männliche Frauen gibt. Diese Einsicht ist vermehrt mit Rollenbildern in der Gesellschaft verbunden, beispielsweise im Bereich der medialen Präsenz von Frauen als Moderatorinnen politischer Diskussionen.
Patriarchat oder Matriarchat
Ein weiteres binäres Muster ist das Patriarchat und das Matriarchat. Diese Grundformen sind Abbild eines tief verankerten Mythos, der sich durch alle gesellschaftlichen Schichten zieht. Mythen bieten Geschichten, die sich in Raum und Zeit abspielen und in symbolischer Sprache religiöse und philosophische Ideen und Erfahrungen der Seele ausdrücken. Der Ödipus-Mythos ist das Symbol der Rebellion des Sohnes gegen die Autorität des Vaters in der patriarchalen Familie. Die matriarchalische Kultur ist dadurch gekennzeichnet, dass der Nachdruck auf den Banden des Blutes, der Bindung an den Boden und auf der passiven Hinnahme aller Naturgegebenheiten liegt. Die patriarchalische Gesellschaft ist gekennzeichnet durch die Achtung vor dem Menschen gegenüber dem Gesetz, durch rationales Denken und durch das Bestreben, die natürlichen Gegebenheiten zu verändern. Die Bindung zwischen Mann und Frau, oder zwischen Herrscher und Beherrschtem hat den Vorrang vor den Bindungen des Blutes. Es ist das Prinzip der Ordnung und Autorität, des Gehorsams und der Hierarchie - Quelle: Erich Fromm; Märchen, Mythen, Träume: Eine Einführung in das Verständnis einer vergessenen Sprache, Ex Libris, Zürich 1980 - Beide Gesellschaftsformen sind in unterschiedlichen Kulturen verbreitet. In unserer Gesellschaft kennen wir das Patriarchat wohl am besten, weil wir nach patriarchalen Grundmustern sozialisiert worden sind. Seit der Sesshaftigkeit der Völker haben sich diese Herrschaftssysteme herausgebildet. Waren es beim Anfang der gesellschaftlichen Rollenteilung noch klare Muster, wie die Frau beschäftigt sich mit dem Anpflanzen und der Mann ist der Jäger, stellen wir heute fest, dass die Herrschaftssysteme mit flexibleren Formen der sozialen Rollen und damit mit den Erwartungshaltungen verbunden sind. Ein Motiv für die zeitgenössische Kunst, sich mit diesem gesellschaftlichen Wandel auseinanderzusetzen. Kann der Würfel vielleicht helfen, in Zeiten der Unsicherheit, wichtige Entscheidungen zu treffen?
Die Würfelfrau im gesellschaftlichen Kontext
Die aktuelle, westliche Gesellschaft ist in grossen Teilen patriarchalisch organisiert und aufgebaut. Die zurückliegende Geschichte von Anna Göldi ist ein Abbild dieser Situation und immer noch ein Mahnmal für die Gesellschaftsstrukturen. Der Tod von Anna Göldi basierte nicht auf Hexerei. Ihr Fall war, wie wir heute wissen, ein Zivil-Prozess ohne Fakten- Basis und mit Einfluss der damals einflussreichen Familien. Die männlichen Gesetzgeber waren sich der Lächerlichkeit ihres Urteils bewusst und markierten es daher mit anderen, objektiver klingenden Rechtsbegriffen wie «Vergiftung». Die Institution des Rechts funktionierte wie eine grosse Grube, die das, was hineingeworfen wurde, verschlang und es so formte, dass es ihrer Sprache und Begründung entsprach. Wenn es sein muss, unterdrücken sie es und lassen es legitim klingen, mindestens für einen kurzen Moment der Geschichte – Quelle: Julija Zaharijevic; Die Würflerin, Seite 58 –
Die Künstlerin befasst sich in ihrem Werk mit der Vorherrschaft der Männer, die als Schöpfer der modernen Gesellschaft und gegenwärtiger und vergangener Justizinstitutionen zu verstehen sind. Ahlers hat eine Reihe von Kunstwerken geschaffen, welche die Weigerung darstellen sich dem Machtmissbrauch zu fügen. Der aktive Gegenschlag ist nicht gemeint, eher die Beharrlichkeit sich als Frau inmitten des Schmerzens und der chaotischen Zustände zu behaupten. Die Künstlerin zeigt mit der Art ihrer Arbeiten feministische Spuren der Autonomie auf, in Anlehnung an die eigene Geschichte. Die Ornamente verströmen Freude, Souveränität und Akzeptanz. Es ist wie eine Art des strahlenden Lächelns, wobei auf der Rückseite der Objekte ein toter Herrscher abgebildet ist. Gewalt und Diskriminierung ist gleichzeitig eine kontinuierliche Linie des Widerstands mit der festen Überzeugung des Rechts auf ein gerechtes Dasein. Sie hat sich dafür entschieden im gesellschaftlichen Wandel alle Optionen offen zu lassen. Dazu gehört weicher zu sein als die männlichen Männer, die mit ihren Regeln drohen, falls die Würfel auf die andere Seite fallen sollten.
Die Skulpturen vollziehen schlicht und subtil eine Umkehrung klischeehafter und überholter Geschlechterassoziationen und regen uns dazu an, die mit Bändern und Juwelen geschmückten Formen historischer maskuliner Prunk- und Ornamentik aus früheren Jahrhunderten wieder zu erkennen - Quelle: Laura McLean-Ferries: Buch Die Würflerin, Seite 21 –
Fazit
Ein ästhetisch und feinfühlend gestaltetes Buch, welches die Aufmerksamkeit der Kunstliebhaber herausfordert, weil die Künstlerin die Rolle der Frauen in unserer Gesellschaft darstellt und nicht zögert Tabus anzusprechen.
ISBN: 978-3-906538-34 -1
Eduard Hauser
Autor
Kulturblogger Glarus
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Hauser Eduard
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