Buchcover
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Portrait Walter Hauser
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Buchvernissage und Musik
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Buchvernissage
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Walter Hauser signiert
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Glarus

Neue Erkenntnisse im Fall Anna Göldi

Walter Hauser präsentiert neue Erkenntnisse zum Fall Anna Göldi. Die Vernissage seines Buchs "geliebt, verteufelt, enthauptet" findet am 17. September um 19 Uhr im Anna Göldi Museum statt, die Diskussion darüber einen Tag später von 15 bis 17 Uhr.

Hausers Buch erscheint in der dritten Auflage und bietet neue Erkenntnisse zum Fall „Anna Göldi“. Die Erkenntnisse aus den letzten 15 Jahren Forschung sind eingeflossen und zeigen das Machtwerk des Hexenprozesse auf. Der wesentliche Unterschied zur früheren Ausgabe ist, dass die tragischen Schicksale aufgerollt werden und die staatliche Willkür gegenüber  den Fremden, die sich nicht zur Wehr setzen konnten, aufgezeigt sind. Anna Göldi hatte verbotene Beziehungen zu Männern, die fleischliche Sünde, und wurde deshalb bei Gerichtsverfahren mit dem Teufel in Verbindung gebracht und schliesslich hingerichtet. Im Buchtitel „geliebt, verteufelt, enthauptet“ wird das Vorgehen der Machtjustiz mit diesen Adjektiven in Verbindung gebracht. Frauen und Männer aus unserer Zeit sollen das Buch lesen, weil die Arroganz der Macht exemplarisch aufgezeigt wird. Man spricht heute deshalb von einem Justizmord. Die Botschaft des Göldi-Falls ist auch in unserer Zeit noch aktuell, weil Justiz- und Behördenwillkür immer noch vorkommen.

Hexenprozesse gab es vor dem Fall Göldi in Kempten und Tinizong am Julierpass  in der Schweiz. Der Prozess in Glarus ist schliesslich stark vom Churer Exorzisten Gassner beeinflusst worden. Deutsche Journalisten machten den Fall Göldi publik, so dass es zu einer internationalen Aufmerksamkeit in den Medien gekommen ist. Der Fall Göldi hat schon damals Nachrichtentauglichkeit erreicht, weil es um eine Neuigkeit gegangen ist und die Medien sicher sein konnten, dass mit dem Prozess eine grosse Aufmerksamkeit verbunden werden konnte; das ist in der modernen, aufgeklärten Zeit nicht anders.  Gerichtsschreiber Melchior Kubli bediente die Presse heimlich mit Informationen. Die Prozesse waren vom Teufelsglauben inspiriert. Frauen galten als besonders empfänglich für die Verlockungen des Teufels, was sich in der Liebesbeziehung von Anna Göldi zu anderen Männern spiegelt. Aber Anna Göldi wurde, im Gegensatz zu Anna Maria Schwägelin in Kempten und Ursula Maria Padrutt in Tinizong, hingerichtet.

Die Familie Tschudi in Glarus sassen damals an den Schalthebeln der Macht. Die entscheidenden Ämter und Gremien waren mit Tschudis durchsetzt. Diese Vernetzung hat auch dazu geführt, dass das Todesurteil gefällt worden ist. Allerdings hat das Schicksal die Tschudis gerächt. Die Familie ist von vielen Schicksalsschlägen eingeholt worden.  Wie schon erwähnt  ist Melchior Kubli in der Rolle des Whistleblowers gewesen. Das Stammbuch von Lehmann, welches seit Oktober 2020 im Besitz der Anna Göldi-Stiftung ist, beweist diesen Tatbestand. Melchior Kubli, ein Mann mit Zivilcourage hat sich auch für die Abschaffung der Folter eingesetzt und   wollte mit seinem Vorgehen auf Unrecht und Willkür hinweisen und Reformen in Gang bringen. Der Anna Göldi Prozess ist zu einem der ersten Whistleblowing-Prozesse in Europa geworden. Die öffentliche Debatte, welche die Publikation geheimer Prozessdokumente entfachte, hatte eine heilsame Wirkung. Sie ebnete den Weg zu einer vom Dämonenglauben befreiten Strafjustiz und besiegelte das Ende der Hexenverfolgung. Heue haben wir eher vergessen, dass Frauen während Jahrhunderten im christlichen Europa kriminalisiert und dämonisiert worden sind, als Übeltäterinnen und natürliche Verbündete des Teufels. In dieser Beziehung gibt es Parallelitäten zur modernen, aufgeklärten Zeit. Fälle in jüngster Vergangenheit beweisen immer wieder, dass die Whistleblower ungenügend geschützt sind. Man kann von einer „Geschichte von unten nach oben“ ausgehen. Also der Geschichte von einfachen Leuten, die sich zu wenig Gehör verschaffen können und in einer Abhängigkeit der Mächtigen stehen. Die Rehabilitierung von Anna Göldi 2008 hat eine lebendige Erinnerungskultur im Kanton Glarus hervorgebracht. Das Anna Göldi Museum ist dafür der beste Beweis. Das Buch von Walter Hauser leistet für diese Orientierung wesentliche Inhalte. In unserer direkten Demokratie ist das Vorgehen von „unten nach oben“ zur Selbstverständlichkeit geworden. Trotzdem ist zur Kenntnis zu nehmen, dass die Schweiz bei der Gleichstellung von Frauen und Männern starken Nachholbedarf hat, auch wenn sich seit der Einführung des Frauenstimm- und Wahlrechts vieles verbessert hat. In der zivilisierten Welt der Demokratien ist die Schweiz im internationalen Ranking von Rang 7 auf 11 abgerutscht.

Das Göldi Museum hat sich als Leuchtturm zu einem stark besuchten Museum entwickelt. Corona hat zwar auch zu einem Rückgang der Besucher geführt. Aktuell haben sich aber die Besucherzahlen erholt. Die Besucher:innen rekrutieren sich aus allen Teilen der Schweiz. Erfreulich ist, dass viele Schulen mit jungen Menschen das Museum besuchen. Das veränderte Reiseverhalten macht sich so bemerkbar, dass Gruppen bei Anna Göldi vorbeischauen, die auch ins Glarnerland reisen um weitere Stationen zu besuchen. Wertschöpfungen für den Kanton und die Gastronomie sind sichergestellt. Leider muss festgestellt werden, dass nur rund 5% der Besuchenden aus dem Glarnerland stammen, die übrigen 95% aus dem Rest der Schweiz. Das Göldi Museum ist mit seiner Geschichte und dem thematisierten Thema Menschenrechte eine kulturelle Attraktion. Man kann von einem Nachfragesog sprechen. Dieser wird aber auch aktiv hinterfragt, weil nicht jedem Besucherwunsch entsprochen werden kann.

Die Schwerpunkte der neuen Programme sind noch offen, weil sich in der Museumsleitung per 1.1.2022 ein Wechsel vollziehen wird. Zentral wird nach wie vor sein, dass weiterhin qualitativ hochwertige Dauerausstellungen und Anlässe stattfinden können. Wichtig bleibt, dass das Museum sich für die Bildung einsetzt. Wünschenswert wäre, dass sich die Politik stark für das Museum engagiert und die Finanzierung über die laufende Rechnung, statt über den Lottofonds, geregelt wird.

 

Eduard Hauser

 

 

Autor

Kulturblogger Glarus

Kontakt

Hauser Eduard
Blogger
Biäschenstrasse 10
8872 Weesen
hauser.eduard@gmail.com
079 375 81 99

Kategorie

  • Glarus

Publiziert am

10.09.2021

Webcode

www.glarneragenda.ch/u5sdaK