Sophie Gogl
Sophie Gogl
Sophie Gogl - deine Mutter, 2023
Sophie Gogl - deine Mutter, 2023
Sophie Gogl - die kleine Feuerlöscher, 2023
Sophie Gogl - die kleine Feuerlöscher, 2023
Sophie Gogl - Treppe im Raum
Sophie Gogl - Treppe im Raum

Glarus

Melanie Ohnemus im Gespräch mit der Künstlerin Sophie Gogl

Melanie Ohnemus, Direktorin Kunsthaus Glarus, unterhält sich mit der Künstlerin Sophie Gogl zur aktuellen Ausstellung. Es zeigen sich interessante Erkenntnisse über die Inspirationsquellen der Arbeiten. Da wir sehen, was wir wissen, ist das nicht unmittelbar Einsehbare der künstlerischen Arbeit von Bedeutung. Das Interview ist auf www.kunsthausglarus.ch publiziert.

Sophie Gogl, 1992 geboren, zeigt eine Serie von Malereien, in Kombination mit mehreren Objekten und installativen Elementen. Die Künstlerin hat Portraits erarbeitet, in Aquarell und Acryl. Die klassische Malerei beinhaltet figurative Elemente. Die gewählten Themen verschieben sich. Sophie weist darauf hin, dass häufig ein Witz hinter der Malerei versteckt sein kann. Für einen Witz wird dann die Malerei wie ein Vehikel. Sophie Gogl: „Die Art mit Malerei umzugehen, hat meine zynische Grundhaltung verstärkt“. Der Zynismus ist eine Geisteshaltung bei welcher andere Personen mit ihren Werthaltungen gering geschätzt werden. Es geht um die Missachtung von Konventionen. Peter Sloterdijk, der berühmte deutsche Philosoph,  hat 1983 die Entwicklung des Zynismus analysiert. Als Gegenpol zum gesellschaftlichen Zynismus empfiehlt er die „heitere Respektlosigkeit“.  Der in Zürich 1916 entstandene Dadaismus ist eine radikale Satire. Die Widerspiegelung der Widersinnigkeit des Weltlaufs sind Thema. Joannes Baader hat die „Prokatur des Diletariats“ ausgerufen. Es folgt 1918 der Surrealismus. Aktuell hat das „Brevier für Hochstapler“ grosse Bedeutung. Die Welt will betrogen werden.

Da eröffnet sich ein Tor für die Kunst. Sophie nimmt mit ihren Arbeiten den Faden auf. Die Malerei, welche die Gefühlsebene anspricht, kann sich hinter der zynischen Grundhaltung nicht verstecken. Zynisch-Sein verspricht jedoch „Erhabenheit oder Coolness und verschafft sich Freiheit von Abhängigkeiten“. Die Kunstproduktion hat schon immer eine Verbindung zum Zynismus als Merkmal gehabt. Sophie Gogl geht es zentral um die Bildersprache, bei welcher das Visuelle die Malerei dominiert. Ein zentraler Aspekt, vor allem weil die Malerei schon häufig als tot erklärt worden ist. Der Zynismus kann die angesprochene  Haltung gegenüber der Malerei gut überwinden.

Welches sind die Inspirationsquellen für die Künstlerin? Sie berichtet von einem Besuch in New York, wo sie die Kunstinstallation „Dream House“ besucht hat. Der Eindruck, wie die Installation als Gesamtkunstwerk funktioniert hat, war stark. Die Installation ist vielschichtig aus Licht und Sound. Es ist möglich in der Installation  zu verweilen oder sogar zu meditieren. Beim Besuch der Toilette hat die Künstlerin die Fliesen fotografiert, die in ein rosarot-pinkes Licht getaucht sind. Viel Blau, Ultramarin und Violett waren im Licht enthalten. Das Farbspektrum wirkte wie ein Bild oder  wie Malerei. Die Fotos von der Toilette dienten als Grundlage für die Ausstellung im Kunsthaus. Das Licht ist noch nicht ein Thema, aber es stand am Anfang der Malerei. Sophie Gogl: „Das Farbspektrum verwendete ich als Grundierung für die Leinwände und die geometrischen Linien der Flieseneinfassungen habe ich übernommen“. Die Assoziationen mit den persönlichen Wahrnehmungen spielen für den malerischen Prozess eine wichtige Rolle. Es kann auch sein, dass, wenn sich der Körper kurz vor dem Einschlafen entspannt, Geistesblitze durch den Kopf gehen. Die Malerei ist auch immer ein bisschen Kampf mit sich selbst. Immer wieder sind es Bildvorlagen, die den Malprozess beeinflussen. Fotografische Vorlagen, Badezimmerspiegel-Selfies, öffentliche Räume wie ein Parkplatz mit Reklametafeln, Fakes, Objekte aus einem Katalog, Aussentreppen von Gebäuden oder mit alltäglichen Szenen und Verhaltensmustern.  Ein Spiel mit  Aneignungen und Anknüpfungen an die eigene Jugend, mit prägenden Eindrücken. Der Parkplatz kann gut als imaginativer Rahmen dienen. Man kann von Nicht-Orten sprechen. An solchen Orten kann sich das Normative des Alltags brechen. Für Jugendliche können die angesprochenen Orte als Erinnerungen wichtig werden. Für das spätere Leben wird die Zeitwahrnehmung ausgedehnter, was auf die Möglichkeit der Gestaltung wirkt. Bei Jugendlichen ist dieser Gestaltungsraum noch klein. Die Effizienz spielt im jugendliche Alter noch nicht eine starke Rolle. Die Ausrichtung auf die Zufriedenheit ist noch stärker ausgeprägt. Andere Künstler, die den Witz oder den Zynismus zu Ende denken oder malerisch festhalten – beispielsweise Rochelle Feinstein mit „Love your Work“Malereien von 1999 – spielen bei der persönlichen Ausarbeitung in der Malerei eine wichtige Rolle.

In den Arbeiten von Sophie werden „Narrative“ sichtbar. Beim Modewort „Narrativ“ geht es um eine sinnstiftende Erzählung einer Geschichte, die Einfluss auf die Art hat, wie die Umwelt wahrgenommen wird. Es werden Ereignisse abgebildet, die sich an Menschen aus bestimmten Kulturkreisen richten, mit der symbolischen Vermittlung von Werten und Überzeugungen. In jeder Arbeit stecken „Narrative“, weil es immer um die Auseinandersetzung mit Symbolen und Werten in der Gesellschaft geht. Da stellt sich auch das Thema der „Qualität“ einer Arbeit. Eine gute Arbeit findet aus einer zynischen Grundhaltung eine kontinuierliche, starke und überdauernde Form. Die persönliche Einschätzung, ob etwas gut ist oder nicht, spielt dabei immer eine grosse Rolle.

Die „knusprige Nichte“ als Titel der Ausstellung basiert auf dem Roman von Stefan Zweig „Ungeduld des Herzens“ 1939. Sophie Gogl: „Ich habe mir das Buch auf dem Bücherflohmarkt einer evangelischen Freikirche in Kufstein gekauft. Eigentlich war ich darauf aus, Missionierungsbücher zu finden, die jugendlichen Mädchen erklären, dass Sexualität etwas Schlechtes ist. (….) Als ich zu lesen begonnen, war ich ganz verwundert darüber, dass es so ein „page-turner“ ist. Ich habe überlegt, warum sich das so poppig liest. Dann habe ich herausgefunden, dass der Roman als Vorlage für den Film „Grand Budapest Hotel, 2014“ unter der Regie von Wes Anderson diente. Für meine Generation war der Regisseur sehr wichtig. Seine Filme wirken zwar eher nostalgisch als futuristisch, dennoch steht Anderson für mich ganz klar in der Tradition der Salonmalerei. Die überbordenden Bezüge, die nicht wirklich linear zur heutigen Zeit stehen, aber doch auf spezielle Weise heutige Bezüglichkeiten reflektieren, beschäftigen mich. … Die Ästhetik der Worte, die Stefan Zweig verwendet, um Frauen zu beschreiben. Wie er sie beschreibt, ist generell abenteuerlich, wirklich witzig….In meinem Dialekt meint man ja, wenn man sagt „Der ist nicht mehr ganz knusprig“, dass jemand mental gewisse Probleme hat“. Heute assoziiert man mit „knusprig“ auch die Jugendlichkeit, die Generation mit dem offenen Zeitgefühl. Die Wahl des Ausstellungstitels hat verschiedene Aspekte auf einmal angesprochen. Traditionen in ungleichen Machtverhältnissen der Geschlechter zum Beispiel. Es geht um Muster und um eine latent sexistische, unfreiwillige Eingliederung. Eine beeindruckende und tief greifende Auseinandersetzung in der Ausstellung mit aktuellen Themen unserer Zeit, selbst wenn eine Literaturvorlage von 1939 als Referenz Verwendung findet. Eben zeitlose, wert- und kulturorientierte Inhalte, die uns überdauern werden.

Eduard Hauser

Autor

Kulturblogger Glarus

Kontakt

Hauser Eduard
Blogger
Biäschenstrasse 10
8872 Weesen
hauser.eduard@gmail.com
0793758199

Kategorie

  • Glarus

Publiziert am

28.02.2023

Webcode

www.glarneragenda.ch/99BvEZ