Pia Stephenson
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Malen und Gestalten im Atelier von Pia Stephenson - 1
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Glarus

Malen und Gestalten im Atelier von Pia Stephenson

In der Gemeinde Glarus bieten mehrere Malateliers kreative Zugänge für verschiedene Zielgruppen an. Der Kulturblog der Glarneragenda besucht und porträtiert vier von ihnen. Den Auftakt macht das Atelier von Pia Stephenson in der Zollhausstrasse 32 in Glarus.

Pia Stephenson ist seit 2020 als Kunsttherapeutin tätig, teils am Kantonsspital Glarus und in der Tagesklinik Glarus der PDGR (Psychiatrische Dienste Graubünden), sowie auch selbstständig in eigener Praxis. Ja, genau genommen ist ihr Malatelier in der Zollhausstrasse 32 auch eine kunsttherapeutische Praxis. Ebenso aber einfach ein Ort, an dem Menschen ihre Kreativität fachlich begleitet entdecken und individuell ausdrücken können. Auf der Website www.stephenson.ch ist zu lesen: «In meinem Atelier in Glarus biete ich Kunsttherapie in der Fachrichtung Gestaltungs- und Maltherapien an. Hier stelle ich einen Erlebnisraum zur kreativen Entfaltung zur Verfügung. Das entstandene Werk wird nicht gewertet, sondern als Sprachrohr zwischen Klient:in und Therapeutin verwendet.»


An einem Dienstagabend darf ich während eines Kurses, den Pia Stephenson für Pro Infirmis anbietet, Atelierluft schnuppern. Zwei Räume stehen zur Verfügung: In einem befinden sich wie in einem klassischen Malatelier Malwände, Malutensilien und ansonsten viel Platz. Im nächsten Zimmer hat sie einen grossen Tisch mit Papier, Farben, Luftballons in Faustgrösse und Röhrchen zum Pusten vorbereitet. Auf einem Blatt zeigt sie, was geschieht, wenn die Farbe mit dem Ballon getupft oder mit den Röhrchen verblasen wird. «In der Mitte habe ich eine wachsartige Linie aufs Blatt gezogen, damit die Farbe nur bis dorthin fliesst. Meine Idee war, dass es ein Bild wie von einem Strand sein könnte, der Himmel wäre über der Linie, die Linie wie ein Sonnenschirm, darunter der Strand. Es ist mehr ein Experiment, es wurde nicht so gut wie dachte. Aber das macht nichts, im Gegenteil. Man kann immer noch etwas ganz anderes daraus machen oder sich dazu vorstellen. Und für die Teilnehmerinnen ist es sogar besser, wenn kein perfektes oder zu festgelegtes ‘Vorbild’ da ist, weil sie dann eher ihren eigenen Vorstellungen folgen.»


Inzwischen sind alle drei Frauen eingetroffen, man begrüsst sich und sucht sich einen Platz am Tisch. Die Bilder vom letzten Kurstag, vor zwei Wochen, grossflächig und farbig, sind inzwischen getrocknet und dürfen später mit heimgenommen werden. Ich frage die Frauen, was ihnen am Malatelier gefällt. Die Freiheit, sich mit eigenen Ideen zu betätigen, wird genannt, und die Freude wenn etwas gelungen ist. Auch die Farben sind ihnen wichtig. Direkt werden auch Lieblingsfarben genannt: «rot», «blau», «rosarot». Später wird mir Pia Stephenson zu den Farben erklären, dass diese eine wichtige emotionale Bedeutung haben: «Geliebte Farben können Glück, Geborgenheit und Trost schenken. Aber auch unbeliebte Farben können eine wichtige Funktion einnehmen, indem sie helfen, auch Unangenehmes ausdrücken zu können.» Nebst dem Malen bietet sie in ihrem Atelier auch weitere  Gestaltungsaktivitäten an:  Mit Ton, Draht, Pappmaché, Gips, Steinen, Holz und anderem Material lassen sich dreidimensionale Objekte herstellen. Die Teilnehmerinnen zeigen mir Fotos solcher Arbeiten auf ihrem Chat und man spürt die Freude über das Geschaffene. Zur heutigen Mal-Anregung mit dem Röhrchen und den Ballons erklärt Pia Stephenson nun: «Das ist keine Vorgabe, nur ein Input, den ihr aufnehmen könnt oder auch nicht.»


Der berufliche Hintergrund von Pia Stephenson ist äusserst vielfältig und interessant; an vielen Stationen sammelte sie Erfahrungen, bevor sie das vierjährige Studium der Kunsttherapie an der Magenta-Schule in Reiden abschloss. Heute verfügt sie als Gestaltungs- und Maltherapeutin PTM© (PTM- Methode: Prozessorientiertes Therapeutisches Malen und Gestalten) über die geltenden EMR-Qualitätskriterien fürs Branchenzertifikat OdA Artecura der Fachrichtung Gestaltungs- und Maltherapie sowie über die Krankenkassenanerkennung. Künstlerische Betätigung hat ihr schon von klein auf Freude bereitet. Sie erinnert sich, als Kind die Kleider der Kaiserin Sissi gezeichnet zu haben. Auch regte die Natur draussen sie zum Gestalten an, lange bevor sie den Begriff «Land-Art» kannte und später auch dazu Kurse gab. In jungen Jahren traute sie sich eine künstlerische Laufbahn noch nicht zu, «wie viele Heranwachsende, die immer sagen, das kann ich nicht.» So entschied sie sich für die Lehre als technische Zeichnerin. Danach zog es sie nach England, wo sie in der Gastronomie zu arbeiten begann. Sie machte das Wirtepatent und war auch nach der Rückkehr in die Schweiz in diesem Bereich tätig – wie schon ihre früh verstorbene Mutter. Nachdem einem weiteren  Schicksalsschlag 1997, wo sie als Mami zweier Kleinkinder ihren Ehemann durch einen Autounfall verlor, fasste sie einen Neuanfang ins Auge und liess sich 1998 liess sie sich zur Malatelier-Leiterin (Ausdrucksmalen nach Arno Stern) ausbilden. «Damals habe ich die heilende Kraft vom Malen und Gestalten für mich entdeckt und weiterentwickelt.» Daneben arbeitete sie als Spiel- und vor allem Waldspielgruppenleiterin, als Fachstellenleiterin Jugendarbeit Glarus Nord und in der Suchtpräventionsgruppe wuweg. Sie lernte Pflegehelferin, war einige Jahre Pflegemutter. 2015 folgte ein Stellenwechsel ins Amt für Migration Graubünden, wo sie unbegleitete minderjährige, häufig traumatisierte Asylsuchende als Beiständin und Vertrauensperson betreute. Heute ist sie mit einem kleinem Pensum immer noch im Amt für Migration in Graubünden tätig. Die Stelle will sie zugunsten ihrer selbstständigen Tätigkeit im Sommer aufgeben. Für Glarus kann sie sich aber vorstellen, einen Bereich für diese Zielgruppe im eigenen Atelier anzubieten: «Ich möchte mich kunsttherapeutisch für traumatisierte Menschen einsetzen, um sie zu begleiten und stabilisieren. Dies können Menschen wie du und ich sein, aber auch Geflüchtete und Personen in der Migration, verhaltensauffällige, suchende oder auch straffällige Jugendliche.» Nebst der Kurse für Pro Infirmis und auch für Pro Senectute, welche sie regelmässig durchführt, würde sie gerne neu gerne auch Mittwoch-Nachmittage für Kinder anbieten oder auch Atelier-Abende für Erwachsene. In ihren Räumen hat eine Gruppe von bis zu fünf Personen Platz, natürlich sind auch Einzelstunden möglich.


Da ich die Teilnehmerinnen während ihres kreativen Tuns nicht stören und Pias Aufmerksamkeit nicht von ihnen ablenken will, stelle ich ihr ein paar Tage später noch jene Fragen, die mich beschäftigen: Was bedeutet es ihr, im eigenen Atelier mit den Klientinnen und Klienten zu arbeiten und welche Erfahrungen werden dadurch möglich? «Es ist eine Welt, in der ich einen anderen Zugang bieten kann. Durchs kreative Schaffen, mit wenigen gesprochenen Worten und Inputs, werden Selbsterfahrung und Selbstwirksamkeit erlebt und eine wirkungsvolle, gar heilende Lebensveränderung, kann in Gang gesetzt werden. Unbewusste Themen können mit den angebotenen Medien wie z.B. Farbe auf Papier, ersichtlich gemacht und dadurch erkannt und aufgelöst werden. Im Sinne der Salutogenese, also der Stärkung der Förderung der gesundheitsfördernden Faktoren, können Selbstbewusstsein und Resilienz wachsen und auch die künstlerische Ausdrucksfähigkeit. Solch ein kreativer Erlebnis- und Malprozess, mit den im Raum angebotenen Materialien, ist für Gross und Klein möglich!»    


Das tönt spannend. Und die Bilder vom Dienstagabend, was ist aus ihnen geworden? Jede Teilnehmerin hat ganz individuelle Werke geschaffen: Teils wurde mit den Luftballons Farbe aufgebracht, teils mit Pinseln oder mit den Händen. Vom konkreten Bild – Landschaft, Bäume, Symbole wie Herzen – bis hin zu abstrakten Mustern. Motivation und Freude, Neues zu entdecken, sei bei der Gruppe immer wieder stark spürbar, so Pia Stephenson. Zur Osterzeit, einen Kurstag später haben die Teilnehmerinnen mit recycelten Obstschachteln eigene Ideen für ein Osternest umgesetzt. Der aktuelle Kurs geht bis Ende Juni (und dann nach den Sommerferien weiter). Zwei weitere Teilnehmende hätten noch Platz.


Kontakt: Pia Stephenson, Zollhausstrasse 32, 8750 Glarus, 076 505 70 95, pia@stephenson.ch

Autor

Kulturblogger Glarus

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Kategorie

  • Glarus

Publiziert am

17.04.2023

Webcode

www.glarneragenda.ch/ECPgd3