




Glarus
Kunsthaus Glarus: Eine persönliche Begegnung in einem schwierigen Umfeld
Ein Gespräch mit der Direktorin Kunsthaus Glarus hat für mich neue Türen zur aktuellen Ausstellung im Kunsthaus und den Herausforderungen für Kunst im Umfeld zu etablieren geöffnet. Die Positionen der jungen Künstlerinnen bewegen sich zwischen hoher Intensität und Beruhigung und lassen unterschiedliche Einblicke in das Schaffen zeitgenössischer Kunst erahnen. Die Etablierung der Kunst als Kulturwert ist in einem anspruchsvollen Umfeld im Kanton Glarus zu beleuchten.
Kunst im aktuellen Umfeld
Der Wohlstand und die politische Stabilität ist breit akzeptiert. Wir leben in einem gesellschaftlich-politischen Umfeld das stark auf die Individualisierung ausgerichtet und gleichzeitig polarisierend wirkt. Auf einer gemeinsamen Werte-Ebene wird mit starken Affekten diskutiert, ohne einander sich anzunähern. Die geschlossenen Kompromisse lösen neue Probleme aus, statt nachhaltige Lösungen auszulösen. Die Kunst hat für ihre Gestaltungen einen grossen Freiraum und kann mit ihren „Lösungen“ neue Möglichkeiten aufzeigen.
Die beiden jungen Künstlerinnen Flora Klein und Hélène Fauquet – rund 35 Jahre alt – zeigen zwei Positionen, die ebenfalls polarisieren können. Bei Klein und ihrer Malerei sind es energiegeladene Malereien mit dem Titel „Feuer“, bei Fauquet sind es beruhigende, zarte Arbeiten mit dem Titel „Phänomene“, basierend auf verfremdeten Fotografien. Es ist wie bei den Naturelementen, wo sich das Feuer mit dem Wasser mischen kann und neue, bisher unbekannte Sichtweisen auslöst. Die Voraussetzung ist allerdings, dass die Toleranz für eine andere Sichtweise, am gegenseitigen Pol, ausgehalten und akzeptiert wird. Die Sammlung Marc Egger, zeigt von Melanie Ohnemus ausgewählte Arbeiten, die einen Dreiklang zu den künstlerischen Positionen bieten. Kunst findet aber nicht in einem Luftraum oder in einer geschützten Werkstatt statt. Die Politik ist gefordert, weil die Budgets Defizite ausweisen und nachhaltige Lösungen schwierig machen. Die Kulturförderung leidet darunter mit schmalen Budgets, die „grosse Würfe“ verunmöglichen.
Im Glarnerland ist die zeitgenössische Kunst, selbst bei einem über die Grenzen hinaus bekannten Kunsthaus, schwierig. Im „Kunstbulletin 10/23“ wird das Kunsthaus als „Schatzkasten“ beschrieben. „Die Kunst-Reise in die Linth-Stadt wird wieder einmal zum aussergewöhnlichen Erlebnis“. Der Rückhalt für Kunst erhält zwar immer wieder Unterstützung, wie dies bei der Abstimmung zur Renovation des Kunsthauses gezeigt worden ist. Trotzdem kann festgestellt werden, dass der starke Rückhalt der Kunst in der Gesellschaft „Luft nach oben“ hat. Die gesellschaftlichen Prioritäten sind eher so, dass die Turnhalle vor der Kunsthalle positioniert ist.
Zur Kunst von Flora Klein
Flora Klein ist Bernerin, lebt in Berlin und stammt aus einer Künstlerfamilie. Vater und Bruder sind malerisch tätig. Sie ist die Jüngste im Familienbund und hat Spielraum für ihr künstlerisches Schaffen, ohne Erwartungen, erhalten. Ihr Werdegang hat mit der Auseinandersetzung des Zeichnens gestartet, was bei vielen Künstlern:innen beobachtet werden kann. Im Kunsthaus zeigt sie Werke, die in einem Zeitraum von zehn Jahren entstanden sind. In der Ausstellung werden Arbeiten aus verschiedenen Werkphasen sichtbar. Für alle Werke gilt aber das Prinzip der Abstraktion. Für die Gestaltung der Ausstellung ist, als Basis, ein Modell entwickelt worden, das die Auswahl von Werken erleichtert hat.
Der Arbeitsprozess auf den grossformatigen Leinwänden beginnt in der Regel am Boden, so dass die Künstlerin um das Bild herumlaufen kann und so die Sichtweisen immer verändert. Das führt auch zu Brüchen und zu neuen Sichtweisen, die den malerischen Prozess beeinflussen. Die malerischen Strategien hauchen den Flächen, Farben und Formen Leben ein. Ihre Kunst wird von starken Energien getragen, die sich im unbewusst gesteuerten Malprozess manifestieren. Es entstehen Linienführungen und Kompositionen, welche die Betrachter:innen an Erfahrungen des eigenen Lebens erinnern und den Kompositionen Sinn und Gestalt geben. Alle können das sehen, was sie eben sehen können oder wollen. Es können Gedanken an den Weltraum, an Fabriken oder Strukturen in Städten entstehen. So ist die Wahrnehmung subjektiv und gleichzeitig projektiv. Die Künstlerin versucht sich von der bisherigen abstrakten Malerei abzuheben und gleichzeitig eine einzigartige Position zu finden, selbst wenn in der aktuellen zeitgenössischen Malerei die Figuration wieder breitere Beachtung findet.
Die gezeigten Arbeiten unterscheiden sich in der Formensprache und den farblichen Darstellungen. Filigrane Linienführungen wechseln mit starken geometrischen Formen ab. Es entstehen Reibungen und Fragestellungen zugleich, die Antworten auf den künstlerischen Prozess beinhalten. Die Farbgebungen erinnern an den Ausstellungstitel „Feuer“, aber auch an die fein geführten Linien, die skizzenhaft gestaltet sind. Mit den fein geführten Linien entstehen aber auch geschlossene Flächen, die an Infrastrukturen erinnern. Die helle Farbigkeit der Bilder kann aber auch mit dunkel gemalten Flächen wechseln. Das ist wohl auch eine Frage der aktuellen Stimmung, die im Malprozess mitschwingt. Wie auch immer die Bildersprache gelesen wird, entstehen Denkräume, die sich beim näheren Betrachten der Bilder erschliessen. Die Nähe zum Bild lässt uns neue Handlungsräume sehen. Nebst der grosszügigen Geste der Malerei wird im Detail die Feinheit der Formsprache erfahrbar.
Zur Kunst von Hélène Fauquet
Die Arbeiten von Hélène Fauquet folgen den leisen Tönen und bilden den gegenseitigen Pol zu den Arbeiten von Flora Klein. Die französische Künstlerin präsentiert auf einfachen Tischen verfremdete Fotografien, die sie aus dem Internet holt oder selbst produziert. Sie hat sich bei ihren Arbeiten zum Thema „Phenomena“ vom gleichnamigen italienischen Horror-Film von 1985 inspirieren lassen. Die Schönheitsideale unserer Zeit werden aus dem kommerziellen Prozess gelöst und in fast kitschigen Einrahmungen präsentiert. Art Deco wird in dieser Weise mit der Gegenwart konfrontiert und führt zu einem kritischen Diskurs zur Moderne. Die Ausrichtung der Arbeiten ist als Erinnerung an die 70er und 80er Jahre wahrnehmbar und erzählt Geschichten, die mit der Nutzung von Objekten in Verbindung stehen. Die Schönheitsideale werden auch mit kleinen Objekten aus der Welt der Blasen und Tropfen verbunden. Die dargebotenen Bilderschreine können im Gedächtnis als „Eyecatcher“ hängen bleiben. „Phänomene“, die eine Verbindung mit vergangenen Zeiten und der Gegenwart schaffen. Der Rückspiegel der Betrachtung ist in diesem Kontext interessant, weil er gleichzeitig mit der Gegenwart konfrontiert. Es wird einsichtbar, das Zukunft immer eine Herkunft in der Vergangenheit hat. Die feinen Arbeiten regen zum Reflektieren über uns selbst und den aktuellen Herausforderungen der Zeit an.
Die Ausstellung operiert mit den Polaritäten zwischen „laut und leise“, nach „Aussen oder Innen gerichtet oder nach den Elementen Feuer und Wasser. Sie lassen die Besucher:innen mit persönlichen Wahrnehmungen oder Erinnerungen an eigene Geschichten zurück, die Sichtweisen in Frage stellen oder verändern können.
Eduard Hauser
Autor
Kulturblogger Glarus
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