Bilder Kunsttherapie1
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Rahmen erstellen
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Einrahmen
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Triptychon
Triptychon
Vernissage
Vernissage
Malatelier
Malatelier
Nachthimmel
Nachthimmel
Vernissage Eingang
Vernissage Eingang
Pia Stephenson, Kunsttherapeutin
Pia Stephenson, Kunsttherapeutin

Glarus, Ostschweiz

Kunst, die tief im Leben wurzelt

Von April bis Ende Juni wird im Foyer und in den Gängen des Kantonsspitals Glarus die Ausstellung «Eine Stimme geben» gezeigt. Die 20 Kunstschaffenden der 37 Werke sind aktuelle und ehemalige Klienten und Klientinnen des dortigen kunsttherapeutischen Angebots.

An der Wand gleich neben der Eingangstür hängt das grösste Gemälde: Ein Baum, dessen Äste sich in den Himmel strecken, manche mit, manche ohne Blätter – die Wurzeln sind fest im Boden verankert. «Ich malte mehrere Monate an dem Bild und musste es immer wieder vergrössern, also neu Papier ansetzen», erzählt sein Schöpfer anlässlich der Vernissage am Freitag 1. April. Eine Zeitlang sei das symbolträchtige Gemälde auch schon bei ihm zuhause gewesen. Doch dann habe er es im Zug für die Ausstellung wieder hergebracht, es bekam noch einen selbstgefertigten Holzrahmen.

Das Bild fasziniert auf verschiedene Arten. Nur schon optisch: Je nach Lichteinfall schimmern darin goldene Tupfen, mal wirkt es dunkler, dann wieder farbig-hell. Und zu hören, wie es die Lebensgeschichte des Künstlers widerspiegelt, berührt tief. Während der weisshaarige Mann schon auf ein langes Erdendasein zurückblickt, ist bei einer anderen Künstlerin, die über ihre zwei Bilder spricht, die Kindheit noch sehr nah: In intensivem Blau leuchtet der Abendhimmel, mit vielen Gestirnen, vielleicht auch Sternschnuppen. Darunter auf der Erde eine kleine Figur unter einem Schirm: «beschützt, geborgen in der grenzenlosen Weite und Freiheit.» Dann seien in den Jugendjahren Probleme aufgetaucht, alles immer schwieriger geworden, eine psychiatrische Behandlung folgte. Doch im Malen kommen die Ressourcen zum Zuge, die Verbindung zum eigenen Inneren, zu seinen verborgenen, oft wortlosen oder auch noch nicht bewussten Botschaften. Ihr zweites Bild zeigt ebenfalls einen Lebensbaum, stark und klar, jedoch viel kompakter als der des älteren Künstlers.

«Bäume waren anfangs des Projekts einmal eine Idee, ein Vorschlag für ein Thema», so Pia Stephenson, die als Kunsttherapeutin im Kantonspital Glarus die Ausstellung mit aktuellen und ehemaligen Klienten und Klientinnen der Psychiatrie, stationären und solchen der Tagesklinik der PDGR, vorbereitete. Wieder ein anderes Bild zeigt einen blühenden Baum, weitere auch Blumen – eine gar Baum- bzw. wandhoch. Oder völlig andere Motive: Geometrische Muster, ein Pferdekopf, eine Insel mit einer winzigen Kirche darauf, abstrakte Landschaften, oft sehr farbig. Beim Rundgang an der Vernissage weist Pia Stephenson auch auf ein neon-pinkes Triptychon hin: «Links ist das IST oder Ausgangszustand – in der Mitte der Übergang – und rechts der Wunschzustand, das ZIEL». Gerade das mittlere Bild, jenes des Übergangs, fasziniert durch seine Mehrdeutigkeit, schwingt zwischen gegenständlicher und fast surrealistischer Darstellung.


Dass etliche der Künstlerinnen und Künstler von sich behauptet haben sollen, nicht malen zu können, erstaunt. Denn ihre Bilder haben etwas zu sagen. Ähnlich einem Zitat über Musik, in dem es heisst, sie drücke aus, was Worte nicht sagen können aber worüber zu schweigen unmöglich ist, kann auch von dieser Kunst behauptet werden, das sie mit ihren Farben, Formen, Symbolen und Motiven genau eben solches ausdrücken kann. Gefühle, Wandlungsprozesse, das Leben. Es ist not-wendige Kunst, essentielle. Viele Besucherinnen und Besucher bleiben beeindruckt stehen und halten Zwiesprache mit ihnen. Schön ist auch der handwerkliche Aspekt, die Pinselstriche sind noch präsent, da nichts hinter Glas oder Plastikscheiben steckt. Auch die hölzernen Rahmen wurden aus recyceltem Material zurechtgesägt und zusammengebaut. Dafür legten sich Stephenson und einige Teilnehmende auch ausserhalb ihrer Arbeits- und Therapiezeiten mächtig ins Zeug. Schliesslich mussten die 37 Bilder noch aufgehängt werden; alles in allem eine grosse, aber lohnende Anstrengung. Hier bleiben sie nun bis Ende Juni. 

Ein grosses Publikum hat sich am ersten April abends zur Vernissage eingefunden. Nebst den überwiegend mit Gouache-Farben gemalten Bildern werden auch von einer Klientin selbstfertigte Antistress-Bälle gezeigt, die man erwerben kann. Übrigens sind auch die meisten der ausgestellten Werke zu kaufen. In kurzen Ansprachen würdigten die CEO des Kantonsspitals Glarus, Stephanie Hackethal, die Präsidentin der Kunstkommission des Kantonsspitals Glarus Patrizia Catanzaro sowie Céline Zimmermann als Leitung Pflege von der Tagesklinik, die besondere Ausstellung. Nach zwei von der Pandemie bestimmten Jahren der Kargheit, in der Ausstellungen nur begrenzt ohne Öffentlichkeit stattfinden konnten, bringt diese nun neues Leben in die nüchternen Gänge mit ihrem Feuerwerk an Farben, Formen und Ideen.   

Text und Bilder: Swantje Kammerecker 

 

Autor

Kulturblogger Glarus

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Kategorie

  • Glarus
  • Ostschweiz

Publiziert am

06.04.2022

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