Plakat Konzert
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Konzert im Kunsthaus
Konzert im Kunsthaus
Iku
Iku
Ana Jikia
Ana Jikia
Lonely Boys
Lonely Boys

Glarus

Konzerte im Kunsthaus Glarus

Im Rahmen der aktuellen Ausstellung im Kunsthaus Glarus fanden am 25. Juni drei Konzerte von Ana Jikia, Iku und Lonley Boys statt. Dabei durchbrachen dunkle Soundfetzen harmonisch klassische Klänge.

Iku (Johanna Odersky, Lausanne/Berlin) arbeitet mit sphärischer Musik und einer künstlerischen Praxis im Bereich der Skulptur. Die Musik verwebt Samples zu einem neuen Geflecht emotional geladener, melancholischer Klänge. In den neuen Kompositionen kommt die mit Autotune eingefärbte Stimme zum Einsatz.

Ein Hörbild unter: https://soundcloud.com/ikukojohanna

Ana Jikia (Basel und Tibilisi) arbeitet ebenfalls mit Samples. Sie durchbricht harmonisch klassische Klänge mit unvorhersehbaren dunklen Soundfetzen, die in Clubmusik übergehen können und Technobeats, die wieder mit sphärischen Tönen unterlegt werden. Ana Jikia ist Produzentin DJ und bildende Künstlerin.

Ein Hörbild unter: https://soundcloud.com/waterdragon00

Lonely Boys (Berlin/Wien) ist Daphne Ahlers und Rosa Rendl. Das Artpop-Duo ist für ihre Stimmverfremdungen und Vervielfachung ihrer Identitäten bekannt. Mit ihrem ernsthaften Zugang zu Pop erzeugen sie einen unverkennbar ehrlichen Ausdruck zu seinen Themen: Liebe und Gefühl. Ihre über-emotionalen Popsongs sind um eine rohe instrumentelle Basis herum aufgebaut. In ihren lakonischen Texten werden sexuelle Dynamiken und Kämpfe verhandelt. Lonely Boys veröffentlichen in diesem Jahr ihre Doppel-LP, die sowohl neue Titel, als auch unveröffentlichte Solo-Stücke enthält.

Ein Hörbild unter: https://soundcloud.com/lonelyboys

 

Hintergründe zur Musik der Künstlerinnen

Den Künstlerinnen geht es um die Vermittlung von Gefühlen wie Traurigkeit; Melancholie, Trauer oder Enttäuschung. Die Verbindung von skulpturaler Arbeit mit der Musik löst den Drang zur körperlich expressiven  Ausdrucksweise aus. In den künstlerischen Arbeiten sind rebellische Untertöne sicht- und hörbar, verbunden mit der gesellschaftskritischen Haltung gegenüber der kapitalistischen Wirtschaftsordnung.

Iku – Johanna Odersky PW Magazine AL,  Interview mit Juliane Duft-arbeitet als bildende Künstlerin  in Skulptur und produziert sphärische Musik. Bei ihren Arbeiten geht es um physische und ideelle Räume. Sie lotet die Grenzen zwischen Innen- und Aussenwelten aus. Sie lässt sich nicht stark von der Architektur inspirieren, benutzt aber gerne deren Formen. Das Fenster ist ein Zwischenbereich zwischen Innen und Aussen. Interessant ist dabei das Licht, welches durch das Fenster in den Innenraum geworfen wird. Das Überschreiten von Grenzen interessiert die Künstlerin. Parallel dazu werden in der Musik Räume aufgebaut. Das Mittel dazu ist die Wiederholung. Bei den Skulpturen versucht Johanna Methoden aus der Musik im physischen Raum anzuwenden. Eine gewählte Form oder ein Element wird räumlich wiederholt, so dass eine organische Struktur entsteht. Es geht um das Ganze zu sehen, nicht die Einzelelemente. 

Iku: Skulptur "Fenster"

«Bei meiner Arbeit teste ich viel». Zeichnungen, Scherenschnitte oder Skizzen stehen oft am Anfang eines Prozesses. Sie bilden den Ausgangspunkt für eine Skulptur. «Weil ich diese (Skizzen) dann vergrössere, aus Metall nachforme oder ausschneide und im Raum ausfalte, entstehen aber viel mehr Möglichkeiten. Ich arbeite oft mit Grundformen, wie Hände oder Gesichter, mit denen ich Variationen ausprobiere. Aus ihnen setzen sich meine Zeichnungen, ein wenig wie Telefonkritzeleien, in abstrakten Formen fort. Bedeutung entsteht dann im Prozess. Eine Arbeit macht, was sie macht, nicht umgekehrt».

Der Prozess oder das Fliessende ist auch in der Musik wichtig. Die Künstlerin arbeitet bei ihren Kompositionen generell mit Samples. Bei der ersten Musikveröffentlichung ist es um eine Fugue gegangen. «Fugue» kann in der psychologischen Bedeutung mit Wegrennen umschrieben werden. Es geht um eine spezielle Dissoziation, verbunden mit einer Flucht aus dem eigenen Leben und einem radikalen Identitätswechsel. Demgegenüber steht das Vertraute, das Kippen, das unheimlich werden kann. Realitäten werden aufgebaut, um diese dann wieder zu brechen. Das Nostalgische, in der Biografie zurückgreifende, spielt bei Kompositionen immer eine Rolle. In der Musik von Iku spielt die Traurigkeit eine wichtige Rolle. Sie spielt als ästhetisches Mittel eine Rolle und lässt immer offen, was mit der eigenen Person passiert. Melancholie oder die Traurigkeit ist immer ein Bruch, etwas das den Alltag aufrüttelt und Gewohnheiten in Frage stellt. Die Bedeutung worauf man achtet, wird so immer wieder in Frage gestellt. Melancholie oder andere Gefühle können für die Prozesse der Neubetrachtung eine wichtige Rolle spielen. Die Kunst setzt zu diesen Gefühlen auch einen eigenen Rahmen, der immer wieder gebrochen wird und Dinge dadurch sichtbar machen kann. Skulpturen öffnen Beziehungen, schlussendlich sind sie aber auch immer Material.

 

The Lonely Boys – Rosa Rendl und Daphne Ahlers – PW-Magazine AL,  Lewon Heublein May 3 2020 - machen zwischen Wien und Berlin sphärischen Art-Pop, der sich in seiner Emotionalität den üblichen Pop-Gesetzen entzieht. The Lonely Boys feiern aktuell das 10-jährige Bestehen. Jennifer Lopez hat es auf das Cover der neuen EP «Male Confidence» geschafft. Was ist passiert, dass dies bei einer gefeierten Pop-Ikone möglich geworden ist? Einerseits erkennen und schätzen die Künstlerinnen die Leistung als Performerin in einem starken, finanziell geprägten Markt. Andererseits hinterfragen sie die Rolle als Frau, die in der Pop-Welt generiert wird. Die sich sehr verausgabenden Körper sind ausschliesslich weiblich. «J. Lo ist eine Time`s up-Aktivistin und  #Me-too-Surviverin, sie ist ein Powerhouse und toll, aber sie steht auch für die Absurditäten des Show- und Popbusiness und den hyperkapitalistischen Gleichheitsfeminismus mit seinem sexy Twist. Auf dem Cover hat J. Lo deshalb zwei Gesichter». Pop ist cool und keine Mädchenmusik.


Lonely Boys

Durch den Track «Male Confidence» zieht sich die Enttäuschung einer jungen Frau mit einem Mann. Die Frau sehnt sich nach körperlicher Nähe und fühlt sich missverstanden, weil der Mann von seiner Fehlinterpretation der Erwartungen die Frau überfordert ist. Ein typisches Motiv in der Musik der beiden Künstlerinnen. Die Lieder handeln oft vom Scheitern am Gegenüber. Diese Reibung spiegelt sich im Aufeinandertreffen der oft kargen, verstörenden Klängen, die mehr Feminines und Zartes zulassen. Es geht darum, den emotionalen Ausdruck von Trauer, Enttäuschung in etwas Starkes zu drehen, ohne den Schmerz zu verstecken. Es ist melancholisch, trauern über das Verlorene, ein mögliches Objekt. Lonely Boys sind keine «cool girls».

Beim Komponieren kann nicht viel gesteuert werden, im Unterschied zur Produktion der Songs. Wie bei skulpturaler Arbeit ist der Prozess oder das Fluide das wichtige. Es entstehen immer wieder Produkte, die nicht voraussehbar sind und ein starkes Überraschungsmoment beherbergen. «Wir haben beide sanfte, «hübsche» Mädchenstimmen, so dass das Bedürfnis nach einem Bruch des Lieblichen immer vorhanden war. Unsere Instrumentale klingen immer recht hart und haben deutlicher von der Aggression gehandelt, als es unsere Stimmen vermögen, aber alles kommt vom gleichen Ort, geht nur andere Wege. Aggression durch Repetition. Vielleicht ist unsere Musik passiv aggressiv?»

Die Ausstellung von Daphne Ahlers in Glarus konnte mit einem Konzert kombiniert werden. Lonely Boys hat sich so in den Kontext der Ausstellung eingefügt, hat ihn erweitert oder aufgelockert. In dieser Art ist eine spielerische Seite zum Tragen gekommen. Dies heisst auch, dass die Musik nicht so intellektualisiert wird, wie dies bei skulpturalen Arbeiten der Fall ist. Ein emotionaler Zugang wird so frei gelegt. Die Arbeit von Lonely Boys hat keinen Drang zum körperlich Expressiven oder zur Show, wie es in der Pop-Musik üblich ist. Das Objekt der Begierde sind nicht die Musiker. Es handelt sich um Pop, wie es ist Männer zu lieben. Mit ihrer Arbeit leisten die Lonely Boys auch einen Beitrag zur «gender awareness»*, eine Erscheinung, die in unserer Gesellschaft immer wichtiger wird und Toleranz einfordert.

Eduard Hauser

*Die Toleranz zum Thema «Gender» hat in der Schweiz von 2009 mit 56% auf 79% 2019 zugenommen – The Legatum Prosperity Index 2019, London, Nov. 2019 -

 

 

 

Autor

Kulturblogger Glarus

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Hauser Eduard
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Kategorie

  • Glarus

Publiziert am

06.07.2022

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