Gaby Ferndriger, Verlegerin
Gaby Ferndriger, Verlegerin
Atem mit Wellen
Atem mit Wellen
Atmen mit Bergen
Atmen mit Bergen
Düfte atmen
Düfte atmen
Atmen Cover
Atmen Cover

Glarus, Zentralschweiz, Zürich, Ostschweiz

Interview zum Buch ATMEN mit Verlegerin Gaby Ferndriger

Dass ausgerechnet in der Corona-Zeit im Glarnerland ein Buch namens ATMEN erscheint, hat meine Neugier geweckt. Ich habe es mir genauer angesehen, selbst einige Übungen daraus ausprobiert und von der Verlegerin erfahren, was noch alles hinter dem Projekt steckt.

Die zweite Corona-Welle rollt, Unsicherheit macht sich breit. Sorgen, Überarbeitung, Schlafmangel. Schwieriges drückt auf die Schultern, man ist gehetzt und kommt im wahrsten Sinne des Wortes praktisch nicht zum „duuräschnufä“. Dabei wärs doch gerade jetzt so wichtig! Vielleicht geht es noch anderen so wie mir??
In dieser Situation laufe ich an ein neues Kinderbuch heran. Ja, ich lese immer noch gerne Kinderbücher. Mit ihnen kann man auch als erwachsener Mensch immer wieder erstaunliches erleben oder erfahren. Und wenn man es mit Kindern teilen kann, umso besser. Dieses Buch, ATMEN von Inês Castel-Branco, ist von solcher Farbigkeit, Leichtheit und einem gewissen Charme, dass ich mich dem beim Durchlesen kaum entziehen kann und gleich automatisch mitmache – eben die Atemübungen, die das Buch so spielerisch verpackt. Drumherum spielt die Geschichte von einem Kind, das nicht einschlafen kann und sozusagen von der Bezugsperson auf ganz verschiedene Fantasiereisen mitgenommen wird, bei denen es die Vielfalt seines Atems ausprobieren und sich entspannen kann. Als Rakete – wusch! in den Himmel abzischen, den sanften Wellengang eines Papierschiffchens auf dem Meer im Ein- und Ausatmen spüren, einen Baum wachsen lassen oder zu einer tönenden Glocke werden? Das alles lässt sich hier erleben, indem man Körper, Geist und Seele ineinander fliessen lässt und fast unmerklich eintaucht in eine wohltuende, beruhigende Sphäre. Ich, die ich eigentlich keine Zeit für „Kinderkram“ habe, verweile länger als gedacht hier, die Nackenschmerzen haben auch schon etwas nachgelassen. Das Kind im Buch schläft am Schluss friedlich ein. Für die erwachsene Leserin sind nach dem Ende der Geschichte noch zwei enger beschriebene Doppelseiten hinzugefügt, welche die Übungen näher erklären und erläutern. Manche stammen aus dem Tai-Chi, Yoga, Qi Gong oder anderen alten Traditionen. Der Atem stellte in vielen spirituellen Kulturen den Geist des Schöpfers oder das Lebenselixier dar und darum erhält er besondere Beachtung. Die Namen der Übungen sind anschaulich, eben der Natur entlehnt. Bevor es zum Interview mit der Verlegerin geht, eben noch eine kleine Kostprobe aus dem Anhang:

MIT BERGEN ODER WOLKEN ATMEN
In dieser Übung dienen die Berge als Symbole (yantra genannt im Orient), die dem Geist helfen, sich besser zu konzentrieren und sich mit dem unsichtbaren Weg der Atmung zu verbinden.  Man zeichnet eine Gebirgskette auf ein Blatt Papier oder folgt der entsprechenden Zeichnung im Buch mit den Augen. Jedes Mal, wenn das Kind einen Gipfel erklimmt, atmet es ein, beim Abstieg ins Tal atmet es aus. Statt mit Bergen lassen sich auch mit anderen geometrischen Formen, wie Kreisen, Dreiecken oder Treppenstufen Atemübungen gestalten.  Sich vorstellen oder aufzeichnen kann man auch dunkle Wolken, die für Angst, Scham, Wut oder andere bedrängende Emotionen stehen. Eine Variante ist, diese nach und nach wegzupusten, oder auch sie bewusst einzuatmen, und beim Ausatmen ins Gegenteil zu verwandeln.   

Gaby, wie kamst du als Leiterin des Baeschlin Verlages dazu, dieses Buch im Glarnerland herauszubringen?
Ich konnte die Lizenz für eine deutschen Übersetzung und Publikation vom spanischen Originaltitel „Respira“ (spanisch: Atme) erwerben. Der kleine katalonische Verlag AKIARA Books ist speziell, er wurde gegründet von einer sehr begabten Autorin und Zeichnerin, um ihre eigenen Bücher zu publizieren, die oft Gesundheitsthemen betreffen. Ich kannte schon andere Bücher von ihr, habe auch schon ein Buch zum Thema Yoga für Kinder für unseren Verlag übernommen. Als ich nun „Respira“ sah, fand ich es gleich superschön und wichtig vom Thema her, sodass ich es verlegen wollte. Unsere Mitarbeiterin Mena Dressler im Baeschlin Verlag hat die deutsche Übersetzung angefertigt und es so neuen Zielgruppen erschlossen. Es ist gerade diesen Herbst erschienen.
Denkst Du, wir sollten die Atmung wichtiger nehmen? Auf jeden Fall! Wir leben hier in der Schweiz in einem Land mit so viel guter Luft - in anderen Ländern wie etwa China, in den Grossstädten dort, ist es ganz anders, das wird einem erst bewusst, wenn man es mal erlebt hat. Diese unsichtbare Qualität wertzuschätzen und wirklich regelmässig an die Luft zu gehen, machen wir viel zu wenig; oft sitzen wir mehr als nötig den ganzen Tag in unseren geschlossenen, schlecht belüfteten Innenräumen. Gerade für Kinder ist es aber wichtig, dass wir ihnen dies zeigen und vorleben.  

Was sind deine eigenen, persönlichen Erfahrungen mit dem Thema Atmen?
Da ich selbst eine chronische Krankheit habe, merke ich, dass man viel erreichen kann fürs Wohlbefinden, wenn man dem Atmen Sorge trägt. Ein Buch wie dieses hätte ich mir auch gewünscht, als meine Tochter klein war. Sie unter Asthma leiden zu sehen, war sehr hart, und ich hätte gerne eine Möglichkeit gehabt, ihr auf einfache Art Linderung zu verschaffen.

Wer ist die Zielgruppe des Buches?
Sicher einmal Eltern mit Kindern: Sei es mit gesunden, die davon auch profitieren, weil man eben durchs Vorlesen und gemeinsame Körperübungen noch verstärkt miteinander interagieren und etwas teilen kann. Aber natürlich auch, wenn das Kind oder man selber Probleme hat, nicht nur mit der Atmung, auch etwa mit Spannungszuständen und Sorgen. Körper und Psyche wirken dabei ja stark aufeinander zurück. Als Mutter von vier Kindern kenne ich das nur zu gut. Eine weitere Klientel sind Menschen, die im medizinisch-therapeutisch-pädagogischen Bereich tätig sind, von ihnen wird das Buch auch stark nachgefragt.

Ihr habt beim Buchprojekt mit der Lungenliga Glarus zusammengearbeitet, wie muss man sich das vorstellen?
Wir stiessen mit der Idee zum Buch bei der Leiterin Andrea Trummer gleich auf offene Ohren und konnten gute Synergien aufbauen. Ohne solch einen Partner wäre es schwierig gewesen. Sie haben uns geholfen bei der Finanzierung, sowie bei der Bekanntmachung des Buches, auch auf nationaler Ebene der Lungenliga. So kommt das Buch zu denen, die den Bedarf haben.

Du hast also eine Lücke entdeckt und gefüllt?
Ja das kann man so sagen.

Wird es gut verkauft?
Wir sind zufrieden, im Glarnerland läuft es besonders gut, aber auch überregional in den entsprechenden Interessentenkreisen. Sogar aus Deutschland kommen Bestellungen, dort scheint es ein solches Buch – etwa von einem deutschen Verlag – nicht zu geben.
Was sind die Stärken des Buches? Es funktioniert spielerisch, fantasievoll, spricht emotional an.

Eigentlich ist es ja aber ein Sachthema. Wie passt das zusammen – auch mit dem Stil der Illustration, der doch eher verspielt, pastellig bis bunt, wirblig oder gar witzig rüberkommt?
Genauso sollte es nach meiner Erfahrung und Auffassung sein – Naturwissenschaft und Sachthemen darf man in einem Kinderbuch nicht trocken und belehrend darstellen. Sondern mit einer literarischen, poetischen Bildsprache, die auf tiefer emotionaler Ebene anspricht. Für mich hat sich diese Kombi als Erfolgsrezept bewährt.

Habt Ihr im Verlag Baeschlin einen besonderen Bezug zu Gesundheitsthemen, oder ist dies eher ein Rand-Thema?
Wir möchten dies gerne als Schwerpunkt ausbauen, ich hätte da noch zwei weitere Projekte in der Pipeline, aber sie sind nicht so einfach zu finanzieren, weil man nicht auf riesige Zielgruppen setzen kann. Deshalb engagieren sich viele Verlage da gar nicht. Gesundheitsthemen sind aber oft Longseller, sie veralten nicht. Das haben wir schon festgestellt bei dem ersten Kinderbuch dieser Art, das wir vor vielen Jahren machten, „Zwei starke Augen für Robbie“ von der Glarner Orthoptistin Susanne Leuppi, es wird immer noch gefragt. Oft bleiben Kinderbücher nur wenige Jahre aktuell und verschwinden wieder. Schade eigentlich, denn das ist nicht nachhaltig… Allerdings scheuen viele Verlage die Lagerkosten. Da haben wir Glück, dass diese bei uns im Glarnerland nicht so hoch sind. Demnach können wir gut gewisse Nischen bewirtschaften.

Zur Corona-Zeit sind die Atemorgane ein besonderes Thema. Möchtest du dazu noch ein Statement machen?
Weil das Corona-Virus die Lunge gefährdet, nimmt man nun vielleicht die Bedeutung eines gesunden Atemwegssystems wieder mehr wahr. Es ist gut zu wissen, wie man es schützen und pflegen kann. Wer sich dem bewusst ist, wird auch versuchen Schadstoffe, Rauchen und andere Suchtmittel zu meiden, oder auch mit guten Atemtechniken Stress abzubauen. Ich freue mich, wenn unser Buch dazu auch einen Beitrag leisten kann – und es ist wichtig, dass das schon bei der jungen Generation passiert, die noch offener ist für gute wie schlechte Prägungen.

Swantje Kammerecker

Autor

Kulturblogger Glarus

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Publiziert am

17.11.2020

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