Daphne Ahlers
Daphne Ahlers
Nicole Wermers - Reclining
Nicole Wermers - Reclining
Plakate Kunsthaus Glarus
Plakate Kunsthaus Glarus
Daphne Ahlers - Schamkapsel
Daphne Ahlers - Schamkapsel
Daphne Ahlers - Schamkapsel
Daphne Ahlers - Schamkapsel
Daphne Ahlers
Daphne Ahlers
Nicole Wermers - Reclining
Nicole Wermers - Reclining

Glarus

Die Würflerin und die Liegenden

Daphne Ahlers und Nicole Wermers arbeiten in Berlin und London. Bis am 21. August zeigen sie ihre Skulpturen und Objekte im Kunsthaus Glarus. Ihre Werke beziehen sich auf die Kultur der zeitgenössischen Kunst und reflektieren soziologische und wirtschaftliche Formen der aktuellen Welt.

Daphne Ahlers zeigt ihre Werke mit dem Untertitel „Würflerin“. Würfler haben in ihrem Leben mit dem Würfelvorgang versucht ihre Entscheidungen im Leben zu festigen und der Langeweile oder dem Courant normal zu entfliehen. Im Roman von George Cockcroft von 1971, geht der Psychiater von einer multiplen Persönlichkeit  aus. Der Würfel hilft die Persönlichkeit zu entdecken. Es ist ein Kult um die „Würfeltheorie“ entstanden, der an die Spieltheorie in den Wirtschaftswissenschaften erinnert.

Die Skulpturen und Objekte lassen sich zwei Grundausprägungen zuordnen. „Soft Culptures“, die sich mit  weichen Materialien auseinandersetzen und „Shell Sculptures“, die vor Gewalteinwirkungen schützen wollen. Ahlers wählt für ihre Arbeiten das Motiv der Schamkapsel, das einerseits als Element der vorherrschenden, männlichen Mode des Kampfsports bekannt ist. Diese Grundform dient für verschiedene Variationen, die mit weiteren Elementen versehen sind. Die Schleife ist ein weiteres Motiv mit einer langen kulturellen Tradition. Ihre Motive werden einer multiplen Überarbeitung unterzogen und aus weiblicher  Perspektive überarbeitet. Die Künstlerin greift auf verankerte Symbole patriarchaler Bilder zurück und überführt diese zu neuen Ausdrucksweisen. Es geht darum einen die Geschlechter trennenden Denk- und Handlungsspielraum zu thematisieren. Der von ihr gewählte Werkstoffbereich knüpft an die Veränderlichkeit und Formbarkeit von gesellschaftlichen Erscheinungsformen an.

Auseinandersetzung mit Geschlechterrollen
Die Auseinandersetzung mit den Geschlechterrollen ist ein aktuelles soziologisches Phänomen. Es ist nicht immer eindeutig und klar, zu welchem Geschlecht sich Menschen hingezogen fühlen. Die Genderdiskussion legt davon Zeugnis ab. Das Weibliche steht als Archetyp nach wie vor dem Männlichen gegenüber, wird aber in der gesellschaftlichen Entwicklung aufgeweicht. Die Transdiskussion erfährt eine breitere Öffentlichkeit und die „Ehe für alle“ hat auch in der Schweiz die Auseinandersetzung mit den Geschlechterrollen beflügelt. Aus der analytischen Psychologie sind die Archetypen „Anima“ und Animus“ seit vielen Jahren bekannt. Sie gehen davon aus, dass es Frauen mit männlichen Anteilen und Männer mit weiblichen Anteilen gibt. Diese Grundelemente bestimmen unbewusst das Zusammenleben der Geschlechter.

Patriarchat gegen Matriarchat
Ein weiteres binäres Muster ist das Patriarchat gegen das Matriarchat. Beide Gesellschaftsformen sind in unterschiedlichen Kulturen verbreitet. In unserer Gesellschaft kennen wir das Patriarchat wohl am besten, weil wir nach patriarchalen Grundmustern sozialisiert worden sind. Seit der Sesshaftigkeit der Völker haben sich diese Herrschaftssysteme herausgebildet. Waren es beim Anfang der gesellschaftlichen Rollenteilung noch klare Muster, wie die Frau beschäftigt sich mit dem Anpflanzen und der Mann ist der Jäger, stellen wir heute fest, dass die Herrschaftssysteme mit flexibleren Formen der sozialen Rollen und damit mit den Erwartungshaltungen verbunden sind. Ein Motiv für die zeitgenössische Kunst, sich mit diesem gesellschaftlichen Wandel auseinanderzusetzen. Kann der Würfel vielleicht helfen, in Zeiten der Unsicherheit, wichtige Entscheidungen zu treffen?

Nicole Wermers setzt sich mit dem Raum und der Formensprache der Moderne auseinander. Die Ebenen der Untersuchung sind psychologisch, soziologisch und ökonomisch. Begriffe wie Begehren oder Macht sind in dieser Auseinandersetzung im Zentrum. Die Konsum- und Alltagskultur wird entschlüsselt. Die Entwicklung von komplexen Erscheinungen aus der Zeit der Moderne werden mit Designoberflächen verbunden.

Am Rande des Geschehens
Für das Kunsthaus hat Nicole Wermers eine neue Werkgruppe entwickelt, die sich der „Liegenden“ widmet. Im Untertitel zur Ausstellung mit „Reclining“ übersetzt. Die verwendeten Figuren sind auf Reinigungswägen positioniert und verweisen auf die Pflege- oder auf die Wartungsarbeiten, die in unserer Gesellschaft häufig am Rande des Geschehens geschehen. Die Liegende als Symbol des Ruhens ist für die Rolle des Weiblichen zu einer Pause geworden.

Die vergangenen zwei Jahre der Pandemie haben die Frauen in der Pflege kranker Menschen stark herausgefordert. Der Applaus aus offener Szene war eindrücklich und freundlich gemeint, ist aber nicht genug. Die Abstimmung zur Pflegeinitiative hat gezeigt, dass die Zeichen der Zeit deutlich erkannt worden sind. Die Ausbildung und die Arbeitsbedingungen der pflegenden Frauen müssen verbessert werden, weil die Überforderungen auch zur Ermüdung und zu Kündigungen geführt haben. Ich, als Blogger, mache bei der Betrachtung der Kunst von Nicole Wermers automatisch diese gedankliche Verbindung. Ein starkes Zeichen, welches mit der Auseinandersetzung der sozialen Rollen in der Gegenwart mit dem Werk einer Künstlerin gesetzt werden kann. Der Sinn der Botschaft künstlerischer Werke entsteht immer beim Betrachter. Da wir nicht-nicht-kommunizieren können, ist nebst dem gesprochenen Wort die Körpersprache und Symbolsprache für das Verständnis der künstlerischen Auseinandersetzung von Bedeutung.

Eine Ausstellung im Kunsthaus, die stark weiblich geprägt ist und eine ansprechende Ästhetik pflegt. Vom Publikum wird  viel Vorstellungsvermögen abverlangt. Mit unseren Phantasien kann  beim Betrachten der Kunstwerke das eigene Bewusstsein verstärkt werden.

Eduard Hauser

 

Autor

Kulturblogger Glarus

Kontakt

Hauser Eduard
Blogger
Biäschenstrasse 10
8872 Weesen
hauser.eduard@gmail.com
079 375 81 99

Kategorie

  • Glarus

Publiziert am

27.05.2022

Webcode

www.glarneragenda.ch/Bq7TCT