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Kultur, Regionale News

Fotoshooting am Weltfrauentag

Am 8. März 2022, dem Weltfrauentag, schenkte die Frauenzentrale Glarus interessierten Glarnerinnen ein Fotoshooting.

von Eva Gallati, Kulturbloggerin

Im ReVier in Ennenda, dem Domizil der Frauenzentrale, fand am Weltfrauentag 2022 ein Apéro statt, bei dem die Frauen sich fotografieren lassen und auf den symbolischen Tag anstossen konnten.

Präsidentin Britta Scheunemann heisst Eintreffende willkommen, bei gedämpftem Licht unterhalten sich einige an einem Tisch sitzend, andere stehen mit Cüpligläsern in kleinen Gruppen zusammen. Bei Getränken und köstlichem Gebäck trifft man sich, viele kennen sich schon, andere sind zum ersten Mal hier – aus aktuellem Anlass, denn wann bekommt man schon ein professionelles Foto von sich geschenkt? Carmen Hörler Fotografin im jungen Unternehmen mindyou, hat sich im zweiten Stockwerk an der Hinteren Villastrasse 4 ein provisorisches Fotoatelier eingerichtet und empfängt dort die Frauen zum Fotoshooting.



Was ist Schönheit?


Auf der Treppe warten einige Frauen, es ist gerade noch „besetzt“. Eine zieht sich in einer Ecke um und schminkt sich, sie war vorher im Training und möchte für das Foto richtig gut aussehen. Eine andere wartet auf ihre Freundin, die gerade „drinnen“ ist. Sie möchte sich selber nicht fotografieren lassen. Als Selbständigerwerbende hat sie auf ihrer Website zwar Bilder von sich veröffentlicht, doch diese zeigen sie bei der Arbeit und sind nicht „gestellt“. Es wäre ihr unangenehm, so sehr im Mittelpunkt zu stehen. In ihrem Beruf konzentriert sie sich auf ihr Gespür, was die Patientin von ihr braucht, ihr Sensorium ist gegen aussen gerichtet. Zwei junge Frauen sind zusammen hineingegangen, als Freundinnen freuen sie sich zusätzlich zu den Portraits auf einige gemeinsame Bilder als Erinnerung an diesen Tag. Sie stehen beide kurz vor der Anmeldung zum Studium, die eine Chemie, die andere Medizin, und brauchen dafür ein Portraitfoto.

Auf einem Tischchen neben dem Eingang liegen Formulare, darauf kann jede ihre Mailadresse eintragen sowie die Nummer des Fotos, das sie haben möchte. Das Bild (gegen ein bescheidenes Entgelt sind mehrere sind möglich) wird elektronisch übermittelt. Zwei Hefte mit Beispielarbeiten der Fotografin liegen auf, im einen sind Autos zu bestaunen (Amischlitten!), aus dem anderen sehen uns Gesichter an – ungeschönt, realistisch, sehr direkt. Die Präsenz der Portraitierten spürbar, die Fotos strahlen Ruhe und Kraft aus. Wir unterhalten uns über Schönheit, Proportionen, Falten, Ausdruck. Das Thema ist unerschöpflich.



Posieren fällt nicht allen leicht

Ich frage einige der bereits Fotografierten, wie es für sie war, vor der Kamera zu sitzen. Die meisten haben sich zu Beginn mehr oder weniger befangen gefühlt. Beim Betreten des Raumes fällt zuerst die Kulisse auf, ein lichtschluckender grauer Vorhang. Davor steht ein Hocker ohne Lehne. An der Decke hängt als Spezialbeleuchtung eine strahlend weisse Papierwolke, es blendet ein wenig, wenn man auf dem Stuhl sitzt, aber nicht so stark, dass man blinzelt. Dort wo Carmen Hörler sitzt, ist es dunkel. Mit ihrer klobigen Profikamera in der Hand erzählt sie von ihren eigenen Erfahrungen als Foto-Objekt. Es war auch für sie eine Herausforderung, die ihr aber hilft, in ihrer Arbeit mit Einfühlsamkeit und Geduld auf das Gegenüber einzugehen, das sich so offen präsentiert für eine Kamera, die alles sieht.

Die fertigen Bilder können auf dem Display der Kamera angeschaut werden. Carmen Hörler zoomt Bildausschnitte heran – ich lehne es dankend ab, so nahe heranzugehen. Die Auflösung ist extrem hoch, jede Pore, jede Falte und jedes Härchen ist sichtbar. Es fällt leichter, das Bild aus einer gewissen Distanz anzuschauen und den Favoriten nach Haltung und Gesichtsausdruck auszuwählen. Die Selbstdarstellung findet in einem sicheren Raum statt, durch respektvolles Abbilden desjenigen, was ist, was die Person hier und heute ist als äussere Hülle einer Seele und Abbild der Summe ihrer Lebenserfahrungen.



Lebenslauf: mit oder ohne Bild?


Es ist in der Arbeitswelt umstritten, Bewerbungen überhaupt ein Foto beizulegen. Coaches raten entweder vehement dazu oder davon ab. Gutaussehende junge weisse Männer haben bessere Chancen im Bewerbungsprozess als ältere farbige Frauen. Alter, Aussehen und Geschlecht, alles Dinge, an denen wir nichts ändern können. Die Vor- und Nachteile die sich aus diesen Gegebenheiten ergeben sind so krass, dass ich fast meine, den Satz gleich wieder löschen zu müssen – ist dieser Vergleich zu anmassend? Er löst in der Schreibenden sofort ein sehr unangenehmes Gefühl aus – bei der Leserin ebenfalls?

Die Tendenz, ihren Eindruck als Anwärterin auf eine Arbeitsstelle zu optimieren, oft ohne allzu viel Einblick unter die Oberfläche zu gewähren, macht den Wettbewerb nicht einfacher, weder für die Bewerberin noch für die Personalabteilung. Hervorgehoben wird, was vorzeigbar ist, was besser ist als bei anderen. Ein Lebenslauf wird nach nur 15 Sekunden endgültig seinem Stapel zugewiesen: ja oder nein. Entscheidungskriterium ist nicht alleine die Qualifikation der Bewerberin, sondern oft auch der erste Eindruck, das Bild, und dessen ist sich der Betrachter wohl allzu oft nicht bewusst. Nach dem Fototermin setzen wir uns, essen Häppchen und trinken. Die Gespräche gehen in die Tiefe, denn im Kreis der Frauen spüren wir Vertrauen und Ermutigung. Unsere Biographien sind so verschieden, nur schon die Herkunft, aber auch unser Platz im Leben. Viele von uns kamen von weit her und sind mehr oder weniger beabsichtigt im Glarnerland hängen geblieben. Andere waren fort und sind zurückgekommen. Die wenigsten haben ihr ganzes Leben im Kanton verbracht. Alle haben gearbeitet, gegen Lohn oder nicht. Eine Frau hat noch nie in ihrem Leben ein Bewerbungsfoto gebraucht, andere waren in Programmen für Arbeitslose und haben mit fachlicher Unterstützung an ihren Profilen gefeilt. Einige arbeiten selbstbestimmt in guten Berufen, können selber entscheiden und für sich selber sorgen. Das sind noch immer viel zu wenige.

Autor

Kulturblogger Glarus

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Kategorie

  • Kultur
  • Ostschweiz

Publiziert am

19.03.2022

Webcode

www.glarneragenda.ch/wTLQPm