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Bilder hängen
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Charakterköpfe I
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auf der Galerie
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Charakterköpfe II
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Glarus, Ostschweiz

Föhnsturm zieht gen Norden

Derzeit sind im öffentlich zugänglichen Bereich des Seminarhotels Lihn in Filzbach GL grossformatige Fotografien auf Textil von Maya Rhyner zum 2020 erschienenen Buch „Föhnsturm – 25 Männerporträts aus dem Glarnerland“ zu sehen.

Swj. Mit der Energie des „ältesten Glarners“ zieht auch das Föhnsturm-Projekt weiter, seit es im letzten Sommer aus der Taufe gehoben wurde – unermüdlich weitergetragen von Maya Rhyner, seiner Initiantin, der Co-Projektleiterin und Fotografin von „Föhnsturm – 25 Männerporträts aus dem Glarnerland“. 

Das Buch erlebte bereits eine turbulente „Schwangerschaft“ - eine veritable Elefantenschwangerschaft von zwei Jahren - welche die Schreibende als Co-Projektleiterin, Autorin und Lektorin der Föhnsturmprojekt intensiv begleitete. Und die sich nun daran freut, dass es weiterlebt und gedeiht. Oft aber überraschend und anders als geplant, wie es eben das Leben so an sich hat. Darüber sprechen wir beide, Maya und ich, als wir an einem föhnigen Samstagmorgen im März die übergrossen Konterfeis markanter Glarner Männer mit Schnüren und Ösen an Deckenleisten montieren, auf lange Leitern und Simsen klettern, Blick vor, Blick zurück: „Ist das nun gut so?“

Entstanden war die Idee zur Ausstellung der Föhnsturm-Porträts schon vor längerer Zeit: Verbunden mit einer Buch-Präsentation im letzten Frühjahr sollte diese in der Landesbibliothek Glarus stattfinden, zur Zeit der Landgemeinde. Doch dann kam der Corona-Lockdown, die Bucherscheinung verschob sich auf August. Statt in der Landesbibliothek Glarus wurde „Föhnsturm“ in viel kleinerem Rahmen mit dem Verein  kulturzyt im September 2020 im Anna-Göldi-Museum vorgestellt. Damals hängte Maya Rhyner auch die grossen Textilporträts im Gewölbe des hölzernen Hänggiturms auf. Eine ziemlich grosse Arbeit für einen Abend – doch die hat sich gelohnt, denn es war eindrucksvoll. Wie da ein Männerchörli Christoph Kobelts Lied „Dr Füü“ auf einer hölzernen Empore sang, flankiert von den ausdrucksstarken Fotografien, hat sich mir unauslöschlich eingeprägt!


Weitere Lesungen und Buchvorstellungen waren schon aufgegleist, da machte die zweite Covid-Welle dem wiederum einen Strich durch die Rechnung. Doch was hilft es? „Flexibel bleiben ist alles, wie unterwegs in den Bergen. Augen aufhalten und schauen, wo der Weg sonst durchgehen kann.“ Maya Rhyner hat ihn gefunden, mit ihrem Instinkt der Berglerin. Unmittelbar in ihrer Nachbarschaft, sie lebt in Linthal, wurde ihr eine Ausstellungsmöglichkeit für die 25 Porträts angeboten: Sie wurden von Ende November bis Ende Februar in den Linthpraxen Linthal gezeigt. Auch wenn ringsumher alle Ausstellungen gedownlockt waren, wer in der Praxis zu tun hatte, konnte sich Kunst ansehen. Die Besucher waren dankbar und erfreut, schätzten wohl gerade in dieser Zeit eine solche Gelegenheit. Und just gegen Ende der Ausstellungszeit im Glarner Süden zeichnete sich ab, dass es im Norden des Kantons, in den öffentlich zugänglichen Räumen des Seminarhotels „Lihn“ weitergeht. Dort wird Maya Rhyner mit ihrer Idee mit offenen Armen empfangen, hat sie doch bereits früher hier Bilder ausgestellt, etwa vom „Glarner Wunderland“. Eine Schau, die über den Frühsommer im Lihn hätte hängen sollen, war gerade auf August verschoben wurden. Entsprechend happy ist Urs Brotschi, Leitung des Lihn, über diese Lösung. „Eine Vernissage können wir zurzeit leider nicht anbieten, aber Besucher sind willkommen!“ Ohne vorherige Anmeldung, einfach zu den Öffnungszeiten des Lihn, lediglich an der Rezeption muss man sich melden, und natürlich die üblichen Schutzkonzepte befolgen. Auch „Föhnsturm“-Bücher werden ausliegen, zur Ansicht und zum Erwerb.

Während wir inzwischen erhitzt und verschwitzt von der Arbeit in der aufgeheiztem Galerie im ersten Stock uns eine kurze Kaffeepause gönnen, wandern Gedanken und Pläne schon weiter. Eine Buchhändlerin mit Kontakten nach Zürich möchte gerne für uns dort etwas organisieren. Das wäre natürlich schön, wird sich aber sicher auch nochmals wieder verzögern, coronabedingt. „Und in Glarus, im Hauptort, ausstellen, das wäre auch ein grosser Wunsch. Irgendwo, an einem urchigen, speziellen Ort…“ überlegt die Fotografin. Sie als visueller Mensch denkt die Umgebung auch gerne gleich mit.“ – „Und warum nicht auch die Partnerstadt von Glarus anfragen, Wiesbaden-Biebrich? Für die Zeit nach der Pandemie?“ schlage ich vor. Schliesslich war einer unserer Porträtierten, Christoph Kobelt, bei der Gründung der Städte-Partnerschaft vor Jahrzehnten ein aktiver Part, mit einem von ihm geleiteten Chor. „Oder mit den Föhnstürmern auf New Glarus…?“ Tja, davon träumen kann man ja! Immerhin: Das Buch wurde offenbar bislang nicht nur im Glarnerland gut verkauft, sondern ist auch im Ausland angekommen; flog schon bis in die USA.    

Die Glarner Charakterköpfe, die bodenständigen und zugleich oft weltläufigen, finden nach und nach ihre Plätze in der Galerie im ersten Stock, im Treppenaufgang und im Restaurant des Lihn. „Wer sind denn die?“ fragen einige Seminar- oder Hotelgäste interessiert im Vorübergehen. Da sind wir noch damit beschäftigt, die Beschriftungen neben den Bildern aufzustellen oder an die Wände zu heften. Die 20x20 cm grossen Forex-Tafeln bezeichnen nicht nur Person und Ort, sondern auch einen charakteristischen Textauszug zum Porträtierten. So liest man etwa bei Kranzschwinger ROGER RYCHEN, der als „Chirezerbueb“ für die Ausstellung in Filzbach eine zentrale Rolle spielt: „Den Durchhaltewillen, den es als Sportler braucht, hat Roger Rychen von seiner Kindheit auf dem Obstock mitgenommen – beim Heuen konnte auch nicht nach der Hälfte der Wiese Feierabend gemacht werden. Als Jüngster von drei Brüdern lernte Roger jedoch früh einzustecken, «ich habe beim Fussball wohl nie ein Goal gemacht», lacht er. Heute lebt er in der Wohnung eines Siegers, bestückt mit unzähligen Trophäen; «Schwingerkönig zu werden, ist schon immer etwas im Hinterkopf».“

Mich fasziniert immer wieder, wie Maya Rhyner ihre menschlichen Sujets mit der Umgebung zu einem stimmigen und stimmungsvollen Ganzen komponiert. Man spürt geradezu die Verwurzelung der Person mit und in ihrer Umgebung; schliesslich durften die Porträtierten den Ort fürs Fotoshooting wählen. Ihren Sehnsuchtsort, die „Spielwiese meiner Seele“ wie es einer ausdrückt. Und da gibt es eindrückliche Orte zu sehen und erleben, die sogar mancher Einheimische wohl bisher nie betreten hat.  Da ist der Bergführer Hans Rauner vorm winterlichen Bifertengletscher. Der Zigersenn Sigfried Fischli auf der abgelegenen Alp Änziunen am Fischliberg im Schwändital. Freeskier Sämi Ortlieb im Wäldli bei Friteren. Komponist Christoph Kobelt am Wildheuerhüttli auf Baumgarten. Oder eben der bekranzte Roger Rychen auf dem schneebedeckten Obstock. Natürlich sind auch bekanntere Glarner Destinationen dabei, das Bergli, das Klöntal, der Skiort Braunwald. Auch mal ein heimischer Garten mit Bergpanorama im Hintergrund. Die Mischung machts. Von einem der Porträtierten, dem emeritierten ETH Professor für Gestaltung Peter Jenny, stammt ein Zitat, das es für mich auf den Punkt bringt: „Maya Rhyner beherrscht mindestens zwei Arten, um durch die Linse zu sehen, einerseits fürs Sujet und andererseits für die Betrachterinnen und Betrachter. Sie ist eine Fotografin ohne jede Ichbezogenheit. Dies ist eine sehr seltene Qualifikation.“   

Ausstellung im Lihn geöffnet täglich 7.30-20 Uhr (ausser Sonntagnachmittag). Noch bis Mitte August.

Bilder und Text: Swantje Kammerecker

 

Autor

Kulturblogger Glarus

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Kategorie

  • Glarus
  • Ostschweiz

Publiziert am

05.04.2021

Webcode

www.glarneragenda.ch/er4gC9