Heinrich Hössli (1784–1864)
Heinrich Hössli (1784–1864)

Literatur, Weitere Kultur

Eine einzigartige historische Figur für das Glarnerland

Heute ist der 239. Geburtstag von Heinrich Hössli. Worum geht es bei dem Glarner, der sich mit «Eros» im Jahr 1836 als erster Autor im deutschsprachigen Raum stark gemacht hat für die Liebe unter Männern?

von Werner Kälin, Kulturblogger

In einer dreiteiligen Artikelserie haben die Glarner Nachrichten im Vorfeld von Heinrich Hösslis heutigem Geburtstag die Geschichte um den Glarner Hutmacher aufgenommen und sie mit Berichten über die Glarner LGBTQIA Community und die Gleichstellungskommission im Kanton Glarus in die Gegegenwart gebracht. LGBTQIA steht für lesbische, schwule, bisexuelle, trans, queere, inter- und asexuelle Menschen.

Keine Liebe ist an sich Tugend oder Laster

Schon 2014 war Heinrich Hössli ein Thema. Damals kam mit dem Buch «Keine Liebe ist an sich Tugend oder Laster» von Rolf Thalmann Hösslis Biographie heraus. Der Historiker und Buchautor ist Stiftungsrat der Heinich-Hössli-Stiftung. Im Andenken an Heinrich Hössli fördert sie die Sammlung, Erhaltung, Erschliessung, Zugänglichmachung und wissenschaftliche Auswertung von Quellen, Gegenständen und Werken zur Geschichte, Kunst und Kultur von Menschen mit gleichgeschlechtlicher Orientierung. Thalmann sitzt auch im Vorstand vom Schwulenarchiv Schweiz. Beide Organisationen haben ihren Sitz nicht etwa im Glarnerland, sondern im Kanton Zürich.

Im Beitrag über Thalmanns Buch im Magazin «Cruiser» vom 10. Oktober 2014 schreibt Haymo Empl über Hösslis unglückliche Ehe: «Zu jener Zeit war es undenkbar, nicht verheiratet zu sein. Also fügte sich auch der Putzmacher und heiratete die ältere Elisabeth Grebel. Irgendwie gelang es Hössli, zwei Kinder (zu jener Zeit war eine derart geringe Kinderzahl schon beinahe skandalös) zu zeugen. Es ist dokumentiert, dass Heinrich Hössli und seine Ehefrau unglücklich waren: Sie bedauerte die 'verfehlte Gattenwahl'.»

Verbindung mit Anna Göldi

Der Hutmacher Heinrich Hössli lebte im gleichen Haus, das bis 1782 dem Schlosser Rudolf Steinmüller gehörte. Er war ein Freund von Anna Göldi, der sich während des Prozesses gegen «die letzte Hexe» erhängte. Hössli kam zwei Jahre später in seinem ehemaligen Haus zur Welt. Rolf Thalmann sagt dazu: «Der Anna-Göldi-Prozess von 1782 war damals natürlich noch in aller Munde. Deshalb hat Hössli der Fall so sehr bewegt. Er zog seine Parallelen zu der Verfolgung der Schwulen und sagte im ersten Kapitel seines Buches voraus, dass man eines Tages auch auf die Verachtung der Männerliebe ungläubig zurückschauen werde.»

Heute wird man ihm wohl recht gegeben, wie aus dem Folgeartikel in den «Glarner Nachrichten» vom 4. August 2023 geschlussfolgert werden kann. Darin kommen drei schwule Glarner aus drei verschiedenen Generationen vor. «Nicht mal für eine Sekunde habe ich mir gewünscht, nicht schwul zu sein», sagt darin Jonas Weber. Die beiden anderen pflichten ihm bei. Doch vernetzt scheint die LGBTQIA Community im Glarnerland nicht wirklich zu sein – vielleicht, weil kein Bedürfnis danach besteht oder weil halt sowieso schon «jeder jeden kennt».

Warum Hössli Erbe im Glarnerland noch nicht aktiv weitergeführt, keine organisierte LGBTQIA Community im Glarnerland vorhanden ist und sich noch keine queere Glarner:innen bei ihr gemeldet haben, kann sich Sabrina Strub von der Gleichstellungskommission in den «Glarner Nachrichten» vom 5. August 2023 so erklären: «Es ist typisch für ländliche Regionen – ja nicht darüber reden und auch nichts dergleichen sehen, dann haben wir das hier auch nicht.»

Traditionelle Glarner Einzigartigkeit

Wie Anna Göldi als «letzte Hexe» ist auch Heinrich Hössli als «Vorkämpfer der Männerliebe» eine einzigartige historische Figur für das Glarnerland. Die beiden hinterlassen einen Eindruck von der damaligen Zerrissenheit einer Gesellschaft im Wandel. Und sie sind in ihrer Einzigartigkeit auch typisch für den Kanton, oder wie es Moderator Stefan Klapproth in «10 vor 10» vom 23. Dezember 2014 sagte:

«Die Glarner, die bis heute liebevoll ihre Landsgemeinde pflegen, sind seit je ein eigen Völklein. Ihre erste Satzung gaben sie sich vor Urzeiten an der Landsgemeinde 1387. Zusammen mit Pfarrern und sozial gesinnten Ärzten erwirkten die Glarner später, namentlich die Glarner Arbeiter, früher als meistenorts in der Schweiz erste Sozialgesetze und einen bescheidenen Wöchnerinnenschutz. Aber dass es gerade ein Mann aus dem ländlichen Glarus war, der als erster im ganzen deutschen Sprachraum für die Anerkennung homosexueller Liebe war: Ja, wer hätte das gedacht?»



PS 1: Eros ist in der griechischen Mythologie der Gott der begehrlichen Liebe. In der römischen Myhtolgie entspricht ihm Amor, der in seiner Personifikation der erotischen Begierde auch Cupido genannt wird.

PS 2: Nicht nur klassische Glarner und Schweizer Medien sind auf Heinrich Hössli gestossen. Im März 2023 entstand ein Beitag des jungen und queeren Video Creators «Galio» (vermutlich) aus Italien.

Autor

Kulturblogger Glarus

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Kategorie

  • Literatur
  • Weitere Kultur

Publiziert am

06.08.2023

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www.glarneragenda.ch/SZXF6T