Die Nationalfeier vor dem 1. August

In Oberurnen wird der 1. August einen Tag zuvor gefeiert. Unter anderem diese Kuriosität lockte mich an die Nationalfeier ausserhalb meiner Wohngemeinde. Wie es war? Gemütlich, friedlich, schön und umsonst.

von Werner Kälin, Kulturblogger und Lokalpolitiker ohne Amt

Eigentlich ist es ganz praktisch, am Vorabend des 1. August zu feiern. Am Morgen danach rasselt der Wecker nicht – zumindest bei Menschen, die am 1. August nicht arbeiten oder höchstens einen Kulturblogbeitrag schreiben müssen. Ich habe dieses Glück und habe es deshalb gepackt. Zugegeben: Nebst dem Datum hat mich auch die Rednerin nach Oberurnen gelockt. Sie ist eine von drei Kandidat:innen für den frei werdenden Glarner Nationalratssitz. Michael Elsener freut sich vermutlich darüber. Hat er doch am 1. April bei seiner Polit-Comedy-Show «Alles wird gut» im Gemeindezentrum Schwanden noch zum Wählen aufgerufen, obwohl es damals im Kanton Glarus noch nach keiner Auswahl aussah. Nebst Sabine Steinman (SP) kandidieren Andrea Trummer (die Mitte) und Markus Schnyder (SVP).

Jede sympathische Begegnung ist ein Gewinn

Ja, das hier ist der Kultur- und nicht der Politblog. Ein Nationalfeiertag ganz ohne Politik geht aber kaum vorüber. Und Politik ist im Landsgemeindekanton Glarus auch eine lebendie Tradition. Spätestens bei der Rede, ist Politik im Spiel. So war es schon beim Rütlischwur, auf dem der Geburtstag der Schweiz gründen soll. Was an Sabine Steinmanns Worten in Oberurnen aufgefallen ist, ist der Aufruf, sich persönlich zu begegnen. Im Zeitalter der digitalen Kommunikation und manipulierten Informationen sei ihr das besonders wichtig: «Wir schauen uns in die Augen und sehen einen Menschen uns gegenüber. Hat er eine andere Meinung als ich, dann frage ich warum und höre seine Gründe. Auch wenn ich bei meiner Meinung bleibe, kann ich nachvollziehen, kann ich verstehen, warum er oder sie so fühlt – und eine Brücke ist gebaut.»

Ein Verein für eine aktive und lebendige Ortschaft

Und schon ist die Politik zur Kultur geworden. In die Augen konnten sich die Besucher:innen der Nationalfeier in Oberurnen wirklich blicken. Kurz nach dem offziellen Beginn wurden zusätzliche Tische und Stühle auf den Festplatz beim Schulhaus Rauti gezügelt. Verantwortlicher Organisator ist der Verkehrsverein Oberurnen (VVO). Er wurde 1908 gegründet und ist politisch sowie konfessionell neutral. Als Koordinationsstelle aller Dorfvereine und Organisator für die unterschiedlichsten Anlässe in Oberurnen setzt sich der VVO ein, die kulturellen und im kleinen Rahmen die touristischen Belange des Dorfes wahrzunehmen und zu fördern. Der VVO zählt zirka 120 Mitglieder. Mitglied des VVO können alle werden. Der jährliche Mitgliederbeitrag beträgt 15 Franken für Einzelpersonen. Er wird dazu verwendet, um eine aktives und lebendiges Oberurnen zu gestalten sowie die dörfliche Gemeinschaft zu fördern.

Eine Dorfband sorgt für den Sound

Muskalische Begleiterin war am 31. Juli 2023 die Musikgesellschaft Oberurnen (MGO). Sie nennt sich selbst «Dorfband» und bietet nebst Sound auch Kameradschaft und Spass. Der Verein zählt rund 40 Aktivmitglieder jeden Alters. Die MGO probt üblicherweise am Dienstag im Singsaal des Rautischulhauses Oberurnen. Vor wichtigen Anlässen kann es auch mal zusätzlich der Donnerstag sein. Die durchmischte Altersstruktur schlägt sich im Repertoire nieder: Vom gemütlichen Walzer über den rassigen Marsch, vom Filmklassiker zur Rockballade, vonVolksmusik zu Blues ist alles zu hören. Mit Helmut Fritschi leitet ein erfahrener Dirigent die MGO: Er war über fünfzehn Jahre mit der Harmoniemusik Glarus erfolgreich. Wer die MGO unterstützen will, aber kein Instrumen spielt, kann als Passivmitglied beitreten. Zudem lässt sich als Notensponsor gezielt ein Stück spendieren. 

Wertvolles Oberurnen umsonst

Spendiert wurden an der Nationalfeier auch das Bier und die Würste. Letztere waren, wie es sich gehört, köstliche Bratwürst und Servelats von der örtlichen Metzgerei Berwert. Sie ist aus Oberurnen nicht wegzudenken, genauso wie der Volg – der «Louis Müller» – oder Coiffeurgeschäfte, Restaurants und ein Take Away. Auch die Kultur macht Oberurnen lebendig, wie es die Festrednerin mit Heimvorteil sagt: «Wir haben die Vereine, die uns zum Beispiel den Anlass «Dr schnellscht Oberurner» bescheren, natürlich die Fasnacht, die Chilbi, das Turn- und Musik-Chränzli, die Adventsfenster, den Chlauseinzug, den Skiclub, das Kinderturnen, den Familienträff oder den heutigen Abend.» Diesen Abend hat auch das Gratis-Bier besonders gemacht: Die Spinnerei Oberurnen hat es aus Anlass ihres 190-jährigen Jubiläums spendiert. Ob auch die leckeren Kuchen umsonst waren (wundern würde es mich nicht), liess sich leider nicht mehr auskundschaften – sie waren verzehrt, ehe ich den Versuch wagte, ein Stück abzukriegen.