Portrait Ursula Helg
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Anna Göldi Museum
Anna Göldi Museum
Kooperation mit Amnesty International
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Menschenrechte Gratisbild
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Glarus

"Das bleibt ein Geheimnis"

Ursula Helg ist die neue Leiterin des Anna Göldi Museums. Im Gespräch nimmt sie Stellung zu den Aufgaben des Museums, zeigt die Schwerpunkte des Programms 2022 und ihre persönliche Verbindung zum Museum auf.

Ursula, wo liegen deine biografischen Schwerpunkte?

Ich bin promovierte Kunst- und Kulturwissenschaftlerin, habe in Zürich und Wien Kunstgeschichte, Ethnologie und deutsche Literatur studiert und war anschliessend an der Universität Zürich, an der Zürcher Hochschule der Künste, an der Freien Universität Berlin  in Forschung und Lehre tätig. Parallel dazu arbeitete ich in mehreren Museen im Bereich Bildung und Vermittlung. Von 2014 bis 2019 habe ich an der FU Berlin für das neu eröffnete Humboldtforum  zum Thema Magie und Hexerei in Afrika geforscht.

Was bedeutet dir das Engagement für das Anna Göldi Museum?

Es ist Erinnerungsort und Menschenrechtsmuseum zugleich. Es verbindet die historische Aufarbeitung des tragischen Frauenschicksals aus dem 18. Jahrhundert mit der Sensibilisierung für Gegenwartsthemen. Herausgestrichen wird die zentrale Bedeutung der europäischen Aufklärung für das Aufkommen und die Pflege einer durch das rationale Denken bestimmten Kultur und die damit verbundenen rechtsstaatlichen Errungenschaften wie Pressefreiheit, Gewaltenteilung und Demokratie. Damit rücken auch kultur- und sozialhistorische Themen ins Blickfeld.

Wie lässt sich deine Rolle als Frau mit Anna Göldi in Verbindung bringen?

Als Frau macht man immer wieder Erfahrungen, die zeigen, dass das Patriarchat in vielen Bereichen unserer Gesellschaft – oft verdeckt – nach wie vor den Ton angibt. Anna Göldi wurde Opfer von Machtstrukturen, die sich zwar permanent transformieren, letztlich aber nur wenig verändern. Darum bleibt es wichtig, diese im Auge zu behalten, auch im Rahmen von kultur- und sozialwissenschaftlich ausgerichteten Ausstellungen.

Das Anna Göldi Museum gehört zu den Leuchttürmen der Glarner Kultur. Wie wirst Du den Leuchtturm noch stärker zum Leuchten bringen?

Ich denke, diese Frage geht von einer falschen Prämisse aus. Es ist erstaunlich, wie hartnäckig sich der Glaube an einen Erfolg hält, der sich selbst und andere permanent übertreffen muss. Ich denke ein Leuchtturm, der seine Funktion solide erfüllt, stellt bereits einen ausreichenden Wert dar. Er muss nicht immer heller leuchten.

Welche thematischen Schwerpunkte sind für 2022 gesetzt?

Ich habe mich für das Jubiläumsjahr 2022 für eine engere Zusammenarbeit mit der Menschenrechtsorganisation Amnesty International entschieden. In der Ausstellung „Uns reichts!“ wird der  Fokus auf das Thema der sexualisierten Gewalt gerichtet.  Einerseits soll dadurch die Aufmerksamkeit auf die bevorstehende Revision des Sexualstrafrechts in der Schweiz gelenkt werden. Dieses wurde im Unterschied zu vielen anderen Ländern seit rund 30 Jahren nicht mehr angepasst und bedarf – darin sind sich alle politischen Richtungen einig – einer Revision. Andrerseits werden Stimmen von Betroffenen hörbar, die die Mythen, Tabus und Stigmatas offenlegen, mit denen sie konfrontiert werden. Es ist ein Thema, das sich anbietet, wenn es darum geht, eine Brücke zum 240 Jahre zurückliegenden Fall Göldi zu schlagen.

Welche thematischen Schwerpunkte sind besonders interessant?

Die Ausstellung wird während der ganzen Saison stehen bleiben und im Begleitprogramm werden verschiedene Schwerpunkte gesetzt aus dem Feld der Menschenrechte, Frauengeschichte und Erinnerungskultur.

Hauser: 95 Prozent der Besucherinnen und Besucher kommen von ausserhalb des Kantons. Wie willst du die Einheimischen vermehrt ins Museum locken?

Das bleibt ein Geheimnis. Ich bin mir auf jeden Fall sicher, es wird auch in der Glarner Bevölkerung immer mehr Neugierige, Aufgeschlossene und Begeisterte geben, die das Museum weiterempfehlen.

Welche Zielgruppen sprichst du mit deinem Programm an?

Wir veranstalten kein Programm mit einer bestimmten Zielgruppe vor Augen. Vielmehr geht es darum, eine Vermittlung aufzubauen, die aus dem aktuellen Programm schöpfend ein auf die verschiedenen Zielgruppen zugeschnittenes Angebot bietet.

Gibt es schon Pläne, mit anderen Glarner Leuchttürmen in der Kulturszene zusammenzuarbeiten? Was wäre inhaltlich dafür besonders geeignet?

Ich sehe viele Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Welche sich davon realisieren lassen, wird sich zeigen.

Nach welchen Kriterien beurteilst du den Erfolg des Programms 2022?

Das Programm 2022 ist thematisch gesehen sicher eine grössere Herausforderung als das Programm vom letzten Jahr, da es unsere eigene Gesellschaft ganz unmittelbar betrifft. Um diese Betroffenheit soll es im Anna Göldi Museum in erster Linie gehen und nicht um den Erfolg.

Was ist die Kernbotschaft des Anna Göldi Museums für 2022?

Museen sind wichtige Orte für das individuelle und für das gesellschaftliche Lernen. Ganz unabhängig von den in den Ausstellungen zur Darstellung gebrachten Themen. Es geht nicht in erster Linie darum, Wissen zu vermitteln, sondern Denkanstösse zu geben.  Die Kernbotschaft des Anna Göldi Museums will ich deshalb unabhängig vom diesjährigen Themenschwerpunkt anhand des deutschen Buchtitels eines für  Frauenforschung wichtigen Buches von der österreichisch-US-amerikanischen Historikerin Gerda Lerner formulieren:  Zukunft braucht Vergangenheit. Warum Geschichte uns angeht.

 

Herzlichen Dank für das Gespräch, viel Erfolg für deine Arbeit und alles Gute.

Eduard Hauser

 

 

Ennenda, 20. März 2022

Autor

Kulturblogger Glarus

Kontakt

Hauser Eduard
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8872 Weesen
hauser.eduard@gmail.com
079 375 81 99

Kategorie

  • Glarus

Publiziert am

22.03.2022

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