Gleich beginnt das Konzert / Foto Eva Gallati
Gleich beginnt das Konzert / Foto Eva Gallati
Graceland / Foto zVg
Graceland / Foto zVg
Urs Brotschi / Foto Eva Gallati
Urs Brotschi / Foto Eva Gallati
Verein Kulturbühne / Foto Eva Gallati
Verein Kulturbühne / Foto Eva Gallati

Glarus

Bittersüsses aus dem Land der Gnade

Auf der Kulturbühne trat kürzlich das europaweit bekannte Duo Graceland auf, das Lieder von Simon & Garfunkel interpretiert. Es gastierte bereits zum dritten Mal im Seminarhotel Lihn und spielte vor ausverkauften Reihen ein wundervolles Konzert. Bericht von einem gefühlvollen Abend hoch über dem Walensee.

von Eva Gallati, Kulturbloggerin

An einem warmen – zu warmen – Herbsttag, einem noch nicht bunten, sondern immer noch grünen, sonnigen Herbsttag, darf ich nach Filzbach reisen mit dem Postauto, um am Abend das Duo Graceland mit seinem reichen Repertoire an Liedern aus den Federn von Paul Simon und Art Garfunkel zu erleben. Eine kurze Reise in eine andere Welt, die Vorfreude auf die Musik ist gross!

 

Thema des Buffets: Amerika!

 

Doch vorher wird zu Abend gegessen: ab 18.30 Uhr gibt es ein amerikanisches Buffet. Wie immer an den Kulturbühne-Anlässen passt das Essen thematisch zur Herkunft der Musik. Die Gäst*innen können ein Konzert-Package buchen, in dem Nachtessen und Konzertbesuch enthalten sind. Und so strömen kurz vor der Eröffnung des Buffets viele festlich gekleidete Menschen herbei. Zumeist Paare über dem mittleren und schon fast im goldenen Alter prosten einander zu. Im ehemaligen Blaukreuz-Haus werden nämlich schon seit 1990 alkoholische Getränke mit max. 18% Vol. angeboten. Ich trinke zusammen mit Urs Brotschi, Hotelier im Lihn und Präsident des Vereins Kulturbühne Lihn, einen Pinot Noir Walensee Sichelchamm, der ausgezeichnet mundet zu Pulled Pork, gebackenem Kürbis und den anderen amerikanischen Spezialitäten. Die Küche im Lihn ist bekannt für ihre hohe Qualität. Lieferant von biologisch angebautem Gemüse, Eiern, Brot etc. ist das Menzihuus nebenan, welches wie auch das Seminarhotel Lihn geschützte Arbeitsplätze für Menschen mit psychischen Behinderungen anbietet. Urs Brotschi erzählt begeistert von seinem Arbeitsalltag im Unternehmen, und nach dem Dessert geht es mit gut gelegtem Boden zum Konzert.

 

Graceland – wie das erfolgreichste Solo-Album von Paul Simon

 

Graceland, das sind Thorsten Gary und Thomas Wacker aus Deutschland. Sie spielen die Lieder von Simon & Garfunkel wahlweise zu zweit, von Streicher*innen begleitet oder sogar zusammen mit einem Symphonieorchester. Heute sind sie zu zweit da. Thorsten singt die Stimme und spielt die Gitarre von Art Garfunkel, Thomas „ist“ Paul Simon. Sie beginnen ihre Darbietung mit dem Lied „Old Friends“ – auch sie sind alte Freunde, die schon seit vielen Jahren zusammen musizieren. Im Gegensatz zu Simon & Garfunkel sind sie aber noch zusammen, und sie werden hoffentlich noch viele Leute mit deren Musik erfreuen! Ihre Lieder handeln von Heimweh, Liebeskummer, Roadtrips durch Amerika es sind aber auch Volksweisen dabei, z.B. das berühmte „El Condor Pasa“, ein Panflöten-Stück aus Peru oder „Scarborough Fair“, ein englisches Volkslied aus dem 17. Jahrhundert. Als dieses Lied erklingt, entdecke ich beschämt, dass ich die aus einem Kräuterstrauss (parsley sage rosemary and thyme) bestehende Liedzeile mein ganzes bisheriges Leben lang als fragwürdig-sinnloses Wortgemenge mitgesungen habe, nämlich „partly said through Mary and time“... Dies wird sich ab sofort ändern! Denn Petersilie, Salbei, Rosmarin und Thymian haben einen festen Platz in meiner Küche und sind alte Freunde, nicht wie diese unentschlossene Mary mit ihrer wirren Botschaft.


 

Gemeinsame und getrennte Wege

 

Die letzten sieben Konzerte mussten Graceland wegen Krankheit absagen, aber nun sind sie in alter Frische zurück. Zu jedem Lied erzählen Thorsten und Thomas Geschichten aus dem Leben von Simon & Garfunkel. Wie deren Freundschaft begann, als sie 11 Jahre jung waren, von ihrer ersten Schallplatte, die sie unter dem Namen "Tom & Jerry" veröffentlichten, von den Höhen und Tiefen durch die sie gingen. In ihre Lieder packten sie gemeinsame Erfahrungen, haben aber auch mit sozialkritischen Texten das Zeitgeschehen dokumentiert. Paul Simon und Art Garfunkel waren zeitweise separat unterwegs, was schmerzlich für beide war. 1970 trennten sich ihre Wege endgültig, nachdem sie kurz zuvor ihr letztes, berühmtestes Album „Bridge over troubled Water“ veröffentlicht hatten. Es enthält all die Lieder, die ich schon seit meinen Jugendjahren kenne, und die mir immer ein wenig zu gefällig, zu süss waren. Beim Wiederhören nehme ich auf einmal ihre Schönheit und Tiefe wahr, was sicher auch damit zu tun hat, dass ich jetzt die Texte verstehe. 

 

Traurigkeit ist wie eine Brücke über einen tosenden Fluss

 

Über die Entstehung dieser Platte habe ich einige Tage vor dem Konzert eine Doku auf Arte gesehen. Sie zeigte eine mir bis dahin unbekannte Seite der Musiker, die auch unermüdliche kreative Tüftler waren. So entstand das Lied „Cecilia“ in einer mit Freunden durchmusizierten Nacht, als alle auf irgendetwas herumtrommelten was gerade herumstand oder -lag. Am nächsten Tag fanden sie auf den Tonbandaufnahmen eine Sequenz von 90 Sekunden, von der sie sofort wussten: das ist super, daraus machen wir etwas!

 

Mitsingen, bitte!

 

Eine berührende Rückblende setzt ein, als Graceland „The Boxer“ interpretieren und zum Mitsingen des textlosen Refrains (leilelei lei lelei le lei lelei…) einladen. An- und bedächtig erklingt diese Liedzeile, vielstimmig so zart, vorsichtig und warm wie ein Blätterrauschen. Alle singen ganz leise mit, jede*r für sich alleine. Kein Übermut mehr, die Erfahrung hat uns viel gelehrt. Eine bescheidene Hymne an die Einsicht: unsere Jugend ist vorbei.

 

Nach drei Zugaben und somit über zwei Stunden schöner Musik verabschieden sich Thorsten und Thomas. Es stimmt, sie sind nahe am Original ohne zu kopieren. Ihre Interpretationen der bekannten Lieder von Simon & Garfunkel sind dezent, bittersüss und makellos intoniert, so wie es zur Lebensphase von Band und Zuschauern passt, zum Herbst des Lebens. Unsere Herzen vertragen nicht mehr so viel „trouble“. Aber uns erinnern, das tun wir gerne!

 

Organisatorisches

 

Die Kulturbühne Lihn ist ein Verein, Mitglieder bekommen Ticketrabatt. Die Heimkehr nach dem Konzert ist mit öV gut möglich dank dem Shuttlebus zum Bahnhof Näfels-Mollis (vorher anmelden). Für alleinstehende Besucher*innen gibt es die Möglichkeit, zum Nachtessen einen Platz am „Tisch 3“ zu reservieren, einem Gemeinschaftstisch, wo auch der Vereinsvorstand anwesend ist. Das Hotel bietet auch eine Package mit Übernachtung an, also Themenbuffet, Konzert, Übernachtung und Frühstück - eine Auszeit vom Feinsten!


Autor

Kulturblogger Glarus

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Kategorie

  • Glarus

Publiziert am

15.10.2023

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