Foto - Lucia Degonda
Foto - Lucia Degonda
Blick in die Ausstellung - Foto Lucia Degonda
Blick in die Ausstellung - Foto Lucia Degonda
Foto Degonda - Arbeit in der Bergzone
Foto Degonda - Arbeit in der Bergzone
Foto - Lucia Degonda
Foto - Lucia Degonda
Foto - Lucia Degonda
Foto - Lucia Degonda

Glarus, Graubünden

"Bergzonen" von Fotografin Lucia Degonda im Bsinti

Noch bis am 22. Oktober zeigt die freischaffende Fotografin Lucia Degonda ihre Arbeiten im Bsinti, Braunwald. Die Ausstellung steht unter dem Titel „Bergzonen III und IV“. Die Arbeiten zeigen alpine Landschaften mit Fokus auf das Leben in hoch gelegenen Bergregionen. Zu sehen von Dienstag bis Sonntag, jeweils von 9 bis 18 Uhr. Am 7. Oktober um 20 Uhr findet ein Gespräch mit der Fotografin statt.

Lucia Degonda, 1955 geboren, ist mit ihren Arbeiten von Alpinen Landschaften bekannt geworden. Sie ist seit 1986 freischaffende Fotografin in den  Bereichen Portrait, Landschaft und Architektur. Über die Ausstellung im Bsinti sagt sie: „Die Kulturlandschaften der Bergzonen III und IV, die über Jahrhunderte geformt und gepflegt wurden, lernte ich vor allem in den 80er- und 90er-Jahren kennen, als ich für die Revue Schweiz fotografierte, die damals in jedem Wagen der SBB hing. Besonders die Arbeit für die Ausgaben „Walserwege“ und „Saumpfade“ lehrte mich, in den Landschaften Spuren längst vergangener Zeiten zu erkennen und sie als Zeichen von früheren Generationen und deren Lebensweisen zu lesen. Immer wieder beeindruckte mich das harmonische Zusammenspiel von Natur und Kultur und der Sinn für Schönheit in den alten Bergsiedlungen“.

Der Fotografin geht es bei ihrem Schaffen immer um die Inhalte, die über die Bildersprache vermittelt werden können.

Die gezeigten Arbeiten zu den Bergzonen III und IV sind geprägt durch die kurze Vegetationszeiten, eine eingeschränkte verkehrstechnische Erschliessung  der Dörfer und einen grossen Anteil an Hang- und Steillagen, was zur Herausforderung der Bewirtschaftung führt. Die Zonen eignen sich nicht für den Ackerbau. Die Graswirtschaft mit Milch- und Fleischproduktion ist der Schwerpunkt der meisten Bauernbetriebe, so wie man es in der Schweiz kennt.



Trotz Massnahmen wie Direktzahlungen oder Strukturverbesserungen sind diese Berggebiete von Abwanderung betroffen, weil wenig Perspektiven für das Leben sichtbar sind. Die Architketen Diener, Herzog & de Meuron, Meili und Schmid haben in ihrem Buch „Die Schweiz ein städtebauliches Portrait“ diese Bergregionen als „Alpine Brachen“ beschrieben. Gemeint sind Zonen des Niedergangs, der langsamen Auszehrung und Abwanderung ohne wirtschaftlich-gesellschaftliche Perspektiven. Sie schlagen vor, dass Kulturlandschaften in bestimmten Regionen aufgegeben werden sollen.

In Vrin ist der Prozess der Abwanderung und Perspektivlosigkeit umgekehrt worden. Der Wakkerpreis von 1998 für das Bergdorf ist ein Zeichen dafür, dass es auch anders gehen kann. Die Initiative Pro Vrin, mit dem Agrarökonomen Dr. Peter Rieder und dem Architekten Gion Caminada hat für die Entwicklung ein Konzept erarbeitet und in den 90er Jahren eine positive Entwicklung ausgelöst. Vor den Massnahmen hatte Vrin 260 Einwohner, bis ins Jahr 2000 284 Einwohner, nimmt aber seither stetig ab, auf 178 Einwohner 2023. Gion Caminada spricht von „Wunder und Untergang, die nahe beieinander sind“ und dass gewiss sei, dass „die Zukunft unseres Landes von klug eingefädelten und gut belebten Beziehungen zwischen Berg und Stadt lebt“.

Es ist nicht um ein malerisches Dorfbild gegangen, sondern um eine Entwicklung mit Berücksichtigung der Bedürfnisse der 60% Bauern vor Ort. Beispiele sind die Ausscheidung einer Stallbauzone unterhalb der Kirche, um neue Ställe zu errichten, die den heutigen Anforderungen an die Tierhaltung entsprechen. Die Entwicklung der Ställe ist so gestaltet worden, dass die Bauern ihre Ställe auch selbst weiter  bauen konnten. Das hat zur Wertschöpfung vor Ort beigetragen. Ein weiteres Projekt war die Errichtung eines Schlachthauses, welches die Wertschöpfung der Fleischproduktion im Dorf erhält. Heute stehen eine Schreinerei und neue Häuser in Strickbauweise im Dorf, als gehörten sie schon immer zu den alten Holzhäusern. Eindrücklich ist auch die Einrichtung einer „Totenstube“, die bei Todesfällen die ganze Dorfgemeinschaft zur gemeinsamen Trauer und zum Gebet vereinigen kann. Ein Zeichen des Respekts vor dem Leben und Sterben. Mit solchen Aktionen ist es gelungen das Dorf weiterzuentwickeln und die Abwanderung zu stoppen. Die Tradition konnte mit neuen Ideen verbunden werden. Gion Caminada hat zu dieser Entwicklung wesentlich beigetragen. Lucia Degonda hat die Bauweise als Fotografin festgehalten.



Mit dem Projekt „Orte schaffen“ des Architekten Caminada, ordentlicher Professor an der ETH Zürich,   soll ein Dialog zwischen Handwerk, Architektur und anderen Disziplinen Raum geschaffen werden.  Die Kernidee ist, dass Räume geschaffen werden, die einen unmittelbaren Bezug zu ihren Bewohnern haben. Dahinter steht die Überzeugung, dass der Mensch erst aus dem Überschaubaren heraus fähig und bereit ist, wirksame Motivationen zu entwickeln und schlussendlich Verantwortung für den eigenen Ort und für die Umwelt übernehmen kann.

An dieser Ausstellung treffen sich zwei Menschen, die mit ihren Arbeiten zur Kultur in Bergregionen wesentlich beitragen. Die Fokussierung auf das Leben in hochgelegenen Bergregionen zeigt Zonen, die entwickelt werden können und die Gefahr der Entwicklung von Brachen Einhalt gebieten. Fragen stellen sich: Worin liegt  die Faszination dieses Lebensraums? Wie können die Überlebenschancen eingeschätzt werden? Was hat die Fotografin in den 90-er Jahren an den Landschaften berührt? Was an der Lebensart der Menschen und an der kargen Architektur? An der Ausstellung bespricht der Kurator der Ausstellung, Fridolin Walcher, mit Lucia Degonda diese und andere Fragen. Die Arbeiten zur Architektur von Gion A. Caminada in Vrin sind Zeugnis der Auseinandersetzung mit den Zukunftsperspektiven und dem Überlebenswillen der Menschen, die in diesen Landschaften leben. Im Gespräch vom 7.Oktober 2023 zwischen Fridolin Walcher und Lucia Degonda werden diese Fragen wesentlich sein.

Die Ausstellung in Braunwald schafft mittels Fotografie und Architektur Bewusstsein dafür, dass die Natur in Takt bleibt und das Verständnis für die Erhaltung von Lebensräumen entsteht.

Eduard Hauser

Autor

Kulturblogger Glarus

Kontakt

Hauser Eduard
Blogger
Biäschenstrasse 10
8872 Weesen
hauser.eduard@gmail.com
0793758199

Kategorie

  • Glarus
  • Graubünden

Publiziert am

24.06.2023

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www.glarneragenda.ch/ttfsmf