Flusslandschaft / Daniel Kunz
Flusslandschaft / Daniel Kunz
die Kraft des Wasser / Bild Daniel Kunz
die Kraft des Wasser / Bild Daniel Kunz
Daniel Kunz / Catherine Fritsche / Swantje Kammerecker
Daniel Kunz / Catherine Fritsche / Swantje Kammerecker

Glarus

Am Bach sitzen, immer wieder

Eine aussergewöhnliche Performance fand kürzlich in der Gipserhütte Ennenda statt. Catherine Fritsche, Swantje Kammerecker und Daniel Kunz stellten die „12 Tankas am Wasser“, geschrieben von Swantje Kammerecker zu 12 Fotos von Daniel Kunz, dar. Violine, Cello, Erdklangflöte, Rainmaker, Chimes und grosse Röhrenglocken lieferten schönste Klänge.

Beim Eintreten in den Raum zieht es mich natürlich zuerst zum Büchertisch, wo die Bilder von Daniel Kunz ausgestellt sind. Ich entdecke zu meinem grossen Entzücken auch einige Exemplare des dicken Märchenromans „Stein und Flöte“ von Hans Bemmann, ein Buch, das ich sicher fünfmal gelesen habe, einmal davon laut auf Schweizerdeutsch, als Gutenachtgeschichten für meine Kinder.

Eindrücklich, berückend war die Stimmung im Raum, als Peter Ferndriger (in Vertretung von Gaby Ferndriger), einem still präsenten Publikum Gedanken zur Komposition „Tanka am Bach“ vorstellte. Die Tanka ist ein Gedicht in alter japanischer Versform. Sie besteht aus 31 Silben, verteilt auf fünf Zeilen, pro Zeile 5-7-5-7-7. Zusätzlich bestehen andere strenge Regeln, so sind unter anderem Wortwiederholungen und Reime zu vermeiden. Der erste Teil, aus 3 Zeilen bestehend, zeichnet ein Bild oder eine Idee, der zweite Teil vollendet es und eröffnet dem Leser neue Gedankenrichtungen. Tankas beschreiben oft Reflexionen über die Natur. Bekannter bei uns sind die dreizeiligen Haiku, die aus den Tankas entstanden. Ob Haiku oder Tanka, wenn wir uns auf sie einlassen, versetzen sie uns in eine meditative Stimmung. Sie lassen uns einen Moment innehalten, wach werden. Es sind schlichte Texte mit viel mehr Inhalt, als deren kurze Form auf den ersten Blick erwarten lässt. Im Rahmen gehalten durch eine strenge Form, strebt die Dichterin Verstehen, Verbundenheit und Freiheit an.

Der Gegenstand der Betrachtung ist hier die Sernf, Wasser, Steine, Spiegelungen, Pflanzen. Das Wissen um die Vergänglichkeit ermöglicht freudige, bereichernde, auch schwierige Prozesse, in aller Einfachheit. Von Prozessen übrigens, persönlichen und gesellschaftlichen, handelt auch das Buch von Bemmann.





Verblasste Stengel
Tragen noch immer Blätter
Grün und grau wie Stein.

Blaue Kälte bedeckt sie
Knittert das Wasser zu Eis.



Die getanzte und musizierte Performance begleitet die Präsentation von 12 grossformatigen Fotos. Daniel Kunz hat ein Jahr lang die Sernf in hunderten Bildern dokumentiert, immer vom selben Ort aus. Daraus entstanden verschiedene Zeitlos-Kalender und ein Buch. Jedes Bild hat seine eigene Musik, seine eigenen Bewegungen und Enthüllungen. Meine Eindrücke in wenigen Stichworten lesen sich auch fast wie ein Gedicht:

Eins – Bach, Cello, Violine, Daniels Tanz
Zwei – Erdflöte, dunkel und warm gestreicheltes Trommelfell
Drei – Hölzernes Fabeltier, neugierig forschend, unbekümmert, Glockenspiel
Vier – Lichtfaden im rauen Getöse des Holzleibes
Fünf – Wasser rinnt durch den Ritz, das Regenrohr macht Gänsehaut
Sechs - Garnrolle abgewickelt durch den Raum wird Netz, Violinenklänge
Sieben – Daniel kriecht am Boden, plötzliches lautes Trommeln
Acht – Schöne Flötenklänge, Tanz, Fadenschnitt
Neun – ernste Swantje lüftet ihren Schleier
Zehn – Regenrohr und Johann Sebastian Bach
Elf – Glocken-Wind-Spiel. Dieser Blick von Catherine! Swantje tanzt im roten Kleid, wild!
Zwölf – helle Glöcklein, ein Tanz wie fliessendes Wasser



Wo mündet der Blick?
Wo Wasser Himmel berührt
Und zartes Geäst

Schwebt zwischen Sand und Steinen –
Gesicht eines Augenblicks.



Die ca. 40 Zuschauerinnen und Zuschauer wohnen der Darbietung andächtig bei. Durch die Unmittelbarkeit der Eindrücke entsteht ein sinnlicher Genuss, die Klänge der Instrumente, ihre Schwingungen, sind körperlich spürbar. Das Geschenk, ein Werk das in langer gemeinsamer Vorbereitung enstanden ist und seine Vollendung erst in dieser Aufführung erfahren hat, wurde von den Glücklichen dankbar angenommen. Beim anschliessenden Apéro gab es Gelegenheiten zum Austausch mit dem Künstlertrio und untereinander.


von Eva Gallati, Kulturbloggerin

Autor

Kulturblogger Glarus

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Kategorie

  • Glarus

Publiziert am

12.12.2022

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