Jedem Anfang ein Ende... und das Ende ist immer näher als jeher zuvor (aus «Satt werden» von Oehl) | Bild: Schneeglöggli von Annie Spratt, unsplash.com
Jedem Anfang ein Ende... und das Ende ist immer näher als jeher zuvor (aus «Satt werden» von Oehl) | Bild: Schneeglöggli von Annie Spratt, unsplash.com

Nouvelles régionales, Culture

Jedem Anfang geht ein Ende voraus

Der fünfte persönliche Adventsbeitrag fällt zeitlich aus dem Advent heraus und verbindet zu Silvester das ausklingende mit dem neuen Jahr. Kulturblogger Werner Kälin macht in seiner Carte Blanche, was er schon das ganze Jahr über getan hat: Er taucht in die Lieder einer seiner Lieblingsbands ein.

von Werner Kälin, Kulturblogger

 

Es heisst Fluchtpunkte, das Lied, das mir der Spotify-Algorithmus vor einem Jahr in mein Ohr spülte. Der Sound hörte sich easy an, wirkte entspannend. Gesang und Text irritierten mich, ich musste genau hinhören, bis ich verstand. Monate später hörte ich an einem Konzert, wie Ariel Oehl sagte, das sei genau die Absicht seiner Musik: das Zuhören.

 

Ariel Oehl – auf der Bühne ist Oehl eine fünfköpfige Liveband, deren tiefe Zuneigung füreinander dem Publikum nicht verborgen bleibt. | Bild: Grönland Records, Tim Cavadini

  

Für Susanne

Fluchtpunkte passt gut zu meinem Verhältnis zum Glarnerland. Auf der einen Seite geht es mir wie meiner Kulturblogger-Kollegin Susanne von Dach: Sie schreibt in ihrem Adventsbeitrag, wie sie vor 14 Jahren ihr Herz an den Kanton Glarus verlor – zwei Jahre später betörte das Glarnerland auch mich erfolgreich. Auf der anderen Seite braucht es ab und zu die Flucht aus unserem engen Tal, nicht nur bergwärts, auch Luftlinie – zum Beispiel nach Schaffhausen, wo Oehl letzten November im Musikraum TapTab spielten.

  

Für Swantje

Das Lied von Oehl, das beim Lesen des Adventsbeitrags von Swantje Kammerecker mitschwingt, heisst Satt werden. Der Titel dieses Beitrags stammt aus seinen Lyrics: «Jedem Anfang geht ein Ende voraus.» Auch meine Kulturblogger-Kollegin wollte darüber schreiben, dass etwas Neuem das Verabschieden vorangeht. Sie verwarf den Gedanken wegen ihrer Sorgen um die Schwere unserer Zeit. Auch dazu heisst es in Satt werden: «Es geht ein Raunen durch die Welt, als ob der liebe Gott gestorben wär'.»

  

Für Eduard

Während Silvester ein Abschied ist, beginnt eine Woche zuvor etwas Neues. Im Adventsbeitrag von Eduard Hauser verrät mein Kulturblogger-Kollege, dass er an Heilig Abend Geburtstag hat. Dazu passt der Oehl-Song Vogelhaus. Darin heisst es: «Dass ich im Dezember Geburtstag hab', ist schon o.k. Es wird ohnehin schon früh dunkel.» Wer es bereits geschafft hat, auf einen der Lieder-Links zu klicken, denkt sich vielleicht: beliebiger Pop, winselnder Gesang, schwere Texte. So ging's mir auch, das zog mich an, dann wurde alles anders.

  

Für Eva

Auch zum Adventsbeitrag von Eva Gallati passt Vogelhaus, doch ich möchte ihr natürlich ein eigenes Oehl-Lied schenken. Mit ihren Gedanken spielt auch Schönland – mir vermittelt das Lied die Sehnsucht nach einer heilen Welt, um die sich aber niemand kümmert(e). In Schaffhausen sang ich (im Publikum) mit, tanzte mir die Schwere und die Schmerzen weg. Ariel Oehl und seine zauberhafte Band projizieren die Lyrics an ihren Konzerten auf der Bühne für das Publikum lesbar: das Signal, zuzuhören und mitzureden, ist stark. Eva ist in beidem gut.

    

Für Franziska

Am Dreikönigstag schliesst Franziska Hidber die Adventsserie im Kulturblog ab. Worüber sie schreibt, ist also noch offen. Schreibt sie darüber, dass es zu dieser Zeit Schnee haben sollte? Oder schreibt sie darüber, dass zu dieser Zeit Frieden sein sollte? An beides erinnert mich der Oehl-Song Neue Wildnis: «Auf meiner Suche nach was Schönem wie Schnee gehe ich leer aus, bis es auf einmal zu schneien beginnt.» Worum es auch immer am 6. Januar 2024 geht: freuen wir uns drauf!

  

Für die Musik

Eines meiner Liebblingslieder von Oehl für mich selbst auszusuchen, ist nicht einfach. Im vergehenden Jahr habe ich alle gerne gekriegt. Dank sei dem Spotify-Algorithmus für dieses Zuschpiel – er sorgte dafür, dass ich alle Alben von Oehl habe, in Österreich alleine Geburtstag feierte, mein Cap der guten Hoffnung immer auf mir trage, am Konzert in Schaffhausen dauerweinte und das neue Jahr mit einem handsignierten Oehl-Kalender beginne.

Apropos neues Jahr: Ab 1. Januar 2024 bezahlt Spotify Songs mit weniger als 1000 Streams pro Jahr nicht mehr; nicht so nett und eher ungerecht. Mehr über das Vergütungssystem erkärt Deutschlandfunk Kultur. Spotify hat aber auch seine guten Seiten – der Algorithmus (die künstliche Intelligenz) funktioniert wie kein anderer. Daraus können wir Konsument:innen mit unserer biologischen Intelligenz was machen.

  

Tipps für den Umgang mit Spotify

 

❣️
Lassen Sie sich ungehemmt von (berechtigter) Kritik musikalisch durch Spotify inspirieren.

💿 

Kaufen Sie die Alben der Musiker:innen, die Sie besonders gerne hören.

👂

Hören Sie sich die Alben vom ersten bis zum letzten Song in Ruhe an.

💋

Lassen Sie sich höchstens von einem Kuss stören (oder von mehreren).

🤔

Wiederholen Sie es. Achten Sie darauf, was mit der Zeit passiert. Lassen Sie es zu.

💃

Tanzen Sie (hemmungslos), singen Sie (hingebungsvoll) mit, lachen Sie (laut) und weinen Sie (lange) dazu.

🎫

Etwas später im Jahr wünsche ich Ihnen den schönsten Konzertbesuch Ihres Lebens.

 

UND

Streamen Sie weiter die Musik, die Sie mögen, und teilen Sie diese mit Freund:innen. Ihr Lieblingssong Ihrer Lieblingsband braucht schliesslich mehr als 1000 Streams im Jahr, um doch noch ein Trinkgeld von Spotify einzufahren.

            


Kann nach einem Jahr Fan-Dasein passieren – Kulturblogger Werner Kälin mit dem «Cap der guten Hoffnung» von Oehl.

  

Für mich

Nun gut, dann entscheide ich mich eben doch für ein geschenktes Oehl-Lied für mich selbst. Weitergehen passt gut zum vergehenden und künftigen Jahr eines Fünfzigjähren und zur Fortsetzung meines Verhältnisses mit Oehl. Kennen Sie den Wunsch, etwas oder jemanden einfach zu vergessen? Lieder wie Weitergehen zeigen, warum das nicht geht: Es wäre schrecklich. Was beim Weitergehen passiert, wird sich zeigen. In Oehls neustem Song heisst es schon mal: «Die Arbeit des Frühlings hatte keiner bedacht.» 

     

Oehl stammen aus Österreich und sind beim Label Grönland Records von Herbert Grönemeyer unter Vertrag. Die Tour der guten Hoffnung beginnt im Oktober in Innsbruck in ihrem Heimatland, führt auch nach Deutschland und für ein Konzert in die Schweiz – am 10. Oktober 2024 im Exil Club in Zürich.

Autor

Kulturblogger Glarus

Catégorie

  • Musique
  • Glaris

Publié à

31.12.2023

Webcode

www.glarneragenda.ch/sP6iFT