Adi Goldstein / Du!
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Jeremiah Del Mar / Giraffe
Jeremiah Del Mar / Giraffe
Philipp Pilz / Wolf
Philipp Pilz / Wolf

Glaris

Für ein friedliches Miteinander

Im Rahmen der „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ fand ein Workshop zum Thema "Gewaltfreie Kommunikation" statt. Das vom amerikanischen Psychologen Marshall B. Rosenberg entwickelte Konzept gilt als wirksame Methode zur Verbesserung des zwischenmenschlichen Miteinanders.

Teil 2 der Serie

 

Von Eva Gallati, Kulturbloggerin

 

Worte können Schmerz zufügen und traumatisieren, sie können endlose innere Dialoge in Gang setzen, aus denen es keinen Ausweg zu geben scheint. Das macht viele Menschen krank. Was als verbale Auseinandersetzung beginnt, kann in physische Gewalt ausarten. Es kann zu Kontaktabbruch, Verleumdung, ja bis in einen Krieg führen. Die Kunst, gewaltfrei miteinander zu sprechen, rettet Leben – und vor allem Beziehungen.

 

Referent Peter Grimm erzählt in einem spannenden Überblick die Geschichte des genialen Psychologen Marshall B. Rosenberg, berichtet über dessen prägende frühe Erfahrungen mit Rassismus und Ausgrenzung und seine Mentoren und Weggefährten, allen voran Carl Rogers, dessen Schüler er war. Rogers brachte in der Psychologie eine Revolution in Gang, indem er den sogenannten Personenzentrierten Ansatz in die Psychotherapie brachte, von allgemeiner Systematik zur Hinwendung zum einzelnen Menschen und seinem individuellen Werdegang. Auch Mahatma Gandhi’s Gewaltfreier Widerstand war ein Vorbild für Rosenberg. Gandhis Herz blieb weich und voller Liebe, obwohl er voller Wut war angesichts der Ungerechtigkeit und Gewalt in der Welt. Wie gelang ihm dies?

 

Diese Frage beschäftigte Rosenberg wie keine andere. Er verstand: Gewaltlosigkeit ist keine Methode, um zum Ziel zu kommen, sondern eine Lebenshaltung. Als solche müsste sie doch erlernbar sein!

 

Sympathie oder Antipathie?

Ist man mit jemandem einverstanden oder nicht, mag man sie oder mag ihn nicht. Man bekommt Streit wegen auseinandergehender Meinungen und Lebensanschauungen, findet Handlungen respektlos und anmassend, oder freut sich im Gegenteil und fühlt sich verstanden, wenn eine Übereinstimmung da ist. Immer kann es sich zum Gegenteil wenden, und immer muss man wachsam sein und sich Sympathie erkämpfen, und man kommt gegen Antipathie mit dem besten Willen nicht an. Die zwei Gegensätze lassen uns aneinander kleben. Ansprüche und Enttäuschungen bestimmen, wie wir uns miteinander fühlen, und die Schuld am Scheitern trägt natürlich der/die Andere. Was gelingt hingegen ist unser Verdienst!  Immer!

 

Empathie

Unter Empathie verstehen wir das Einfühlungsvermögen in ein Gegenüber, das auch völlig anders sein kann als wir selber. Denn wir wissen ja, wer wir selber sind. Ich darf nicht vergessen, wer ich bin, wenn mir ein anderer gegenübersteht. Mein Gegenüber ist auch ein Mensch und kein Monster. Vielleicht verstehe ich nicht immer was läuft. Interessiert und aufmerksam beobachten wir beide, was sich zwischen uns abspielt. Beide bleiben bei sich selbst, aber sie fühlen das Bedürfnis, den anderen zu verstehen. 

 

Das Konzept der Gewaltfreien Kommunikation basiert auf der empathischen Haltung.

 

Giraffe oder Wolf?

Rosenberg arbeitete eine Zeitlang mit Handpuppen, um seine Lehrsätze zu veranschaulichen. Die Giraffe nahm er als Symbol für Weitblick, ein grosses Herz und Friedlichkeit. Der Wolf hingegen verkörpert das Wilde, Laute, den Kampf. Sie sprechen verschiedene Sprachen und können einander nicht verstehen. Diese Sprachen finden sich aber nicht nur im Zwischenmenschlichen, sondern auch innerhalb einer Person, in Selbstgesprächen beispielsweise. Wer viel grübelt, weiss das.

 

 

Im Kontakt bleiben

 

Die Gewaltfreie Kommunikation liefert als Orientierung eine Art Programm in vier Schritten an.

 

Beobachtung

Was passiert da gerade? Was ist los? Wie fühle ich mich? Meistens fallen wir schon hier auf die Schnauze, nämlich wenn wir unsere Beobachtungen mit Bewertung und Interpretation vermischen. Wir sind dann schnell im Vorwurf, im Urteilen und Vergleichen. Gemeint ist hier die wertfreie, neutrale Beobachtung des Geschehens.

 

Gefühl

Statt gleich in die Auseinandersetzung zu gehen, können wir in uns gehen und unser negatives Empfinden erforschen. Meistens sagen wir natürlich vorher irgendetwas, ganz spontan und unkontrolliert. Die GFK verurteilt dies nicht, es darf sein! Aber nachher: durchatmen und runterfahren! Fühle ich Angst, Trauer, Frust oder Schuld? Wir verwechseln wohl jedes unangenehme Gefühl erst einmal mit Wut und Abwehr und adressieren diese an den „Auslöser“ – doch es steckt IMMER viel mehr dahinter. Peter verteilt dazu den GFK-Navigator für Gefühle, Emotionen und Stimmungen, und den dazu gehörigen Gedanken.

 

Bedürfnis

Was immer wir auch tun, es geschieht aus einem Bedürfnis heraus. Jeder Mensch hat (die gleichen) Bedürfnisse – so steht es auf dem nächsten Lehrblatt, dem GFK-Navigator für Bedürfnisse. Wir brauchen im sozialen Miteinander Wertschätzung, Entwicklung, Dazugehören, Austausch und vieles andere. Dies erfahren wir aber nur im friedlichen Miteinander. Den Bedürfnissen im Miteinander liegen unsere eigenen tiefen menschlichen Bedürfnisse zugrunde: Sicherheit, Entspannung, Selbstbestimmung, Verbundenheit.

 

Handlung

Nun sollten wir dazu bereit sein, angemessen zu reagieren: nicht beleidigt, wütend oder anklagend. Wir wissen jetzt, welches Gefühl „getriggert“ wurde und welches Bedürfnis wir deshalb als nicht erfüllt erachteten. Auf dieser Grundlage können wir unser Gegenüber um etwas bitten, oder wir können zusammen eine Strategie entwickeln um den Konflikt zu lösen, oder wir können eine Entscheidung treffen.

 

Beispiele

Anhand eines alltäglichen Beispiels wenden wir die vier Schritte an. Die verbliebenen TeilnehmerInnen (einige mussten schon zum Zug) waren voller Eifer dabei, die Situation zu erfassen und mit den neuen Erkenntnissen in eine gute Bahn lenken zu helfen. Es war ein sehr spannender Abend mit einem begeisterten Referenten, der mit viel Humor auch über eigene, nicht immer einfache Erfahrungen mit der GFK berichtete.

Über Marshall B. Rosenberg und die Gewaltfreie Kommunikation gibt es viele Bücher für Interessierte, auch Kinderbücher und youtube-Filme, weiteres Erforschen lohnt sich!

 

 

 

Autor

Kulturblogger Glarus

Catégorie

  • Glaris

Publié à

04.12.2023

Webcode

www.glarneragenda.ch/1mLXJZ