ausgeliefert / Foto von Anthony Tran bei unsplash
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Blumen für eine Tote
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nur eine Frau?
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Frauen sind unschlagbar
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Glaris

Du musst nicht heiraten!

Der Verein „Sabatina“ zeigte kürzlich im Rahmen der „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ in der Buchhandlung Wortreich einen Film über das Thema Zwangsheirat und Ehrgewalt. „Nur eine Frau“ erzählt die Geschichte von Ainur, einer türkisch-stämmigen Kurdin, die ihr Leben selber gestalten möchte. Der Film basiert auf wahren Begebenheiten.

Teil 3 der Serie "16 Tage gegen Gewalt an Frauen"

Von Eva Gallati, Kulturbloggerin

 

Sela Esslinger, Geschäftsleiterin von „Sabatina“, kennt viele solcher Geschichten aus ihrem Berufsalltag. Ihr Verein hilft Betroffenen zu einem Ausweg aus Kontrolle und Gewalt, jungen Frauen, aber auch Männern. Nicht nur im arabischen Raum, sondern in grossen Teilen der Welt werden nach wie vor Ehen arrangiert und deren Zustandekommen mit mehr oder weniger Druck durchgesetzt. Jungen Menschen, die von ihrer Familie zur Heirat gezwungen werden, stehen zwei Möglichkeiten offen: entweder sie gehorchen, oder sie weigern sich. Beides ist gefährlich für Leib und Leben.

 

Ainur gehorcht vorerst und heiratet ihren Cousin, den sie vorher noch nie gesehen hat. Sie muss Berlin verlassen, den Ort wo sie aufgewachsen und zur Schule gegangen ist. In Istanbul wird die Ehe geschlossen, und dort muss Ainur bei ihrem Ehemann und dessen Familie leben.

 

Dafür bekommt sie zwei „Häkchen“: sie hat zwei Fehltritte nicht begangen, die ihre streng gläubige Familie zur einem Ehrenmord zwingen würden. Sie hat den Ehekandidaten akzeptiert und war noch Jungfrau. Doch es gibt noch vier weitere Fallen, die sie zu umgehen hat.

 

Nach etwa zwei Jahren steht Ainur mit ihrem Baby in Berlin ihren Eltern und Geschwistern gegenüber: sie ist nach Hause geflüchtet, übel zugerichtet durch die Schläge ihres Mannes. Ihre Eltern wollen sie wieder zurückschicken. Doch da der Ehemann in der Türkei nichts dagegen hat, seine Frau los zu sein, darf sie bleiben. Dabei könnte er sie in den Tod schicken, denn „es ist einer Frau nicht gestattet, ihre Familie oder ihren Ehemann zu verlassen“.  Sie muss nun mit ihrer Herkunftsfamilie leben. Es ist ihr erlaubt, zu beten und ihrer Mutter im Haushalt zu helfen. Arbeiten oder weiter zur Schule zu gehen ist ihr nicht gestattet, denn dies würde die durch den Ehemann oder die Familie getragene „Beschützer- und Versorgerrolle untergraben“.

 

Ainur begnügt sich aber nicht mit Beten und Gemüse rüsten, und sie ist auch weiterhin Gewalt ausgesetzt. Sie wendet sich an eine Behörde und bekommt zuerst ein Zimmer in einer WG, dann eine eigene Wohnung. Für die Betreuung ihres Söhnchens ist gesorgt, Ainur kann eine Ausbildung machen. Sie zieht ihr Kopftuch aus, gewinnt Freundinnen, verliebt sich - und macht sich damit der „Abwendung von Sitten und Traditionen und der Hinwendung zum westlichen Lebensstil“ sowie des „Verdachts auf eine aussereheliche Beziehung“ schuldig. Schwerwiegende Gründe in den Augen ihrer Familie, die sie zur Auslöschung ihres Lebens durch die Hand ihres jüngsten Bruder zwingen, der zum Zeitpunkt der Tat noch minderjährig ist. 

 

23-jährig und kurz vor Abschluss ihrer Berufsausbildung wird Ainur auf offener Strasse erschossen. 

Die Ehre ihrer Familie gilt somit als wieder hergestellt.

 

Sela Esslinger erzählt nach dem Film den sichtlich bewegten Zuschauer:innen von einigen Fällen aus ihrem Berufsalltag. Dass es die digitalen Überwachungsmöglichkeiten durch Handys sehr schwierig machen zu flüchten. Dass Opfer trotz massiver Menschenrechtsverletzungen aus einem Rest Loyalität zur Familie darauf verzichten, die Täter anzuzeigen. Es wurden aber auch schon Kontaktverbote erwirkt und Täter der Justiz zugeführt. Doch die drohende Isolation und Einsamkeit schrecken viele Betroffene ab. 

 

Der Verein Sabatina möchte Opfern wie auch Tätern darin beistehen, in der neuen Kultur anzukommen, sich an die hier güeltenden Gesetze zu halten und deren Einhaltung kompromisslos zu fordern. Sie begleitet deshalb Opfer und, wenn diese mitwirken auch deren Familien dabei, ungeachtet ihres Hintergrundes, zu einem respektvollen, toleranten Umgang mit einander zu finden. 

 

Der Verein Sabatina macht Öffentlichkeitsarbeit, Aufklärung und Schulung, z.B. mit dem gezeigten Film, und ist bei internationalen Projekten dabei. Er gibt viermal jährlich eine Newsletter-Broschüre heraus. Der Film kann an Schulen und Institutionen gezeigt werden.

 

 

 

 

 

 

Autor

Kulturblogger Glarus

Catégorie

  • Glaris

Publié à

12.12.2023

Webcode

www.glarneragenda.ch/M6wiXd