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Glarus, East Switzerland, Zurich

Poesie für einen tieferen Blick in die Wirklichkeit

Am Freitag 25.Januar las und erzählte Catalin Dorian Florescu bei Baeschlin Bücher aus seinen vielbeachteten Romanen. Sie zeichnen sich einerseits durch eine punktgenaue Recherche und andererseits durch eine starke poetische Kraft aus.

 


„Das Publikum liebt ihn, und die Literaturkritik ebenso. Das ist eine seltene Übereinstimmung“, sagt Gastgeberin Gaby Ferndriger, die am Abend des 25. Januar mit sichtbarer Freude den Autor Catalin Dorian Florescu vorstellt. Beide seien sie Jahrgänger und sich auch schon in der Landesbibliothek Glarus begegnet. Inzwischen hat Florescu eine beachtliche Karriere hingelegt: Unter einer langen Liste von Auszeichnungen, Preisen und Stipendien sticht der Schweizer Buchpreis hervor, den er 2011 für seinen Bestseller „Jacob beschliesst zu lieben“ erhielt. So fulminant das tönt, die Meriten erwuchsen einem Schreibprozess, der nicht etwa Jahr für Jahr ein Buch auf den Markt wirft -  sondern ein Werk erst nach jahrelangen, höchst detailgenauen Recherchen und einer tiefen poetischen Transformation des gewählten Stoffes vollendet. Dabei reduziert er die angesammelten Informationen so stark und streng – „auf wenige Prozent“, – dass sich das Erzählte in klaren, leuchtenden Konturen zeigt. Diese Klarheit und Ausdrücklichkeit beginnt mit dem ersten Satz eines Romans. Figuren und Handlung sind beseelt, kraftvoll, oft mit liebevollem Humor geschildert. Doch das Widerständige spielt immer mit. „Menschen suchen einen Platz in der Welt. Sie fliehen vor Hunger, Kälte, Unterdrückung. “ Dieses Grundthema beherrscht die Werke Florescus. Er kennt es aus eigener Erfahrung: Seine Familie verliess 1982 Rumänien und blieb in Zürich „hängen“. Ein vorheriger Versuch von Florescus Vaters, mit seinem an einer Muskelkrankheit leidenden Sohn auszureisen und in den USA zu leben, war gescheitert. „Damals wie auch in der Zeit der grossen Migrationsbewegun-gen früherer Jahrhunderte, wo Europäer von Westen nach Osten und in die USA auswanderten, konnten sich Flüchtlinge nur opportunistisch verhalten. Es war niemals anders als heute“, erklärt der Autor. Gelitten und gestorben wurde damals in grosser Zahl, und wer durchkam, lebte oft ghettoisiert und abgelehnt. „In New York etwa wurden die Ankömmlinge im 19.Jahrhundert von einer Zeitung als das ‚Erbrochene Europas‘ bezeichnet“, so Florescu.  


Das krisenhafte der menschlichen Existenz hat er auch als Psychologe und Psychotherapeut erlebt, etwa in Begleitung von Suchtkranken. Diese Menschen hätten ihn, nebst seiner Aneignung des Hochdeutschen und Schweizerdeutschen, in der neuen Heimat integriert. Er spricht und schreibt von Wendepunkten des Lebens, in denen sich entscheide, ob sich die eigene Existenz verenge oder erweitere. Wenn Menschen trotz aller Hindernisse etwas Neues wagen, kann eine magische Geschichte entstehen. Diesen Geschichten geht Florescu in seinen Büchern nach. Da findet etwa ein erblindeter Masseur einen Weg, zigtausend Bücher zu lesen, oder ein ungeliebtes Kind beginnt zu lieben. Die Poesie erlaube es, genauer hinzuschauen, einen Blick auf Wirklichkeiten zu werfen, die hinter der Oberfläche lägen. Florescu begreift sie als notwendige Haltung zu einer Welt, deren Ein-wohner auf der immerwährenden Suche nach Würde, Schönheit und Wahrhaftigkeit seien.


Swantje Kammerecker        


Autor

Kulturblogger Glarus

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  • East Switzerland
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  • Zurich

Published on

26.01.2019

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