Portrait Judith Welter
Portrait Judith Welter
Pierre Alechinsky (*1927), Farblithografie, Stiftung Othmar Huber, Sammlung
Pierre Alechinsky (*1927), Farblithografie, Stiftung Othmar Huber, Sammlung
Caroline Bachmann, Pleine lune lac jaune, 2016
Caroline Bachmann, Pleine lune lac jaune, 2016
Jan Vorisek, The Man with the Laughing Hand is Dead, 2020
Jan Vorisek, The Man with the Laughing Hand is Dead, 2020

Art / design

Lockdown im Kunsthaus Glarus

Interview von Eduard Hauser mit Judith Welter, Direktorin, Kunsthaus Glarus - Erfahrungen mit dem "Lockdown"

Die Schliessung des Kunsthauses war absehbar - welche unmittelbaren Auswirkungen hat dies gehabt?

Wir haben zwei Ausstellungen aufgebaut, die wir genau einen Tag für das Publikum öffnen konnten. Als Caroline Bachmann und Jan Vorisek in Glarus zu arbeiten begonnen haben, wurden die ersten Masssnahmen gegen Covid-19 getroffen und Grossveranstaltungen abgesagt. Dass auch Museen schliessen würden zeigte sich als Möglichkeit erst gegen Schluss des Aufbaus. Es ist also unglaublich viel passiert innerhalb von zwei Wochen.

Ausstellungen sind mit einem grossen Aufwand verbunden. Wie hast Du als Direktorin und wie  haben die Künstler darauf reagiert?

Wir waren sehr froh darüber, dass wir die beiden Ausstellungen fertig aufbauen konnten. Auch die wichtige fotografische Dokumentation war noch möglich. Der Aufbau der Ausstellungen war unter den Vorzeichen der raschen Entwicklung auch emotional. Es gab natürlich die Unsicherheit, ob wir eine Eröffnung machen können, oder nicht. Schlussendlich war dann einen Tag vor der Eröffnung klar, dass Veranstaltungen dieser Grösse nicht mehr erlaubt sind. Wir waren erleichtert, wurde uns die Entscheidung abgenommen. Als die Museen  darauf wie alles andere geschlossen wurden, war für mich sofort klar, dass wir die Ausstellung verlängern würden. Dies wird jetzt auch geschehen, wenn wir nach dem 11. Mai 2020 wieder öffnen dürfen.

Gibt es für die Künstler*in eine finanzielle Entschädigung?

Nein, es gibt keine Entschädigung für die Künstlerin und den Künstler. Beide sind bereits vor der Eröffnung, also in der Planungs- und Realisierungsphase bezahlt worden. Auch die Produktionen waren bereits finanziert. Wir freuen uns, dass die Ausstellung, etwas später als geplant, nun doch gezeigt werden kann.

Wie ist die Schliessung des Kunsthauses bei den Besuchern aufgenommen worden?

Direkte Reaktionen haben wir wenige erhalten, weil die Schliessung ja als Verordnung alle betroffen hat. Ich gehe davon aus, dass unsere Besucher für unsere Situation Verständnis haben. Sicher ist aus meiner Sicht aber auch, dass es viele Kunstinteressierte gibt, die das Betrachten von Originalen vermissen. Virtuelle Projekte, wie es jetzt viele gibt sind spannend.
Aber das Betrachen von Kunst über das Internet kann kein Ersatz für das Erlebnis mit Kunst sein. Mir persönlich fehlt dieses Erlebnis selbstverständlich auch.

Welche Rolle spielt das Internet in der Zeit der Schliessung? Was macht das Kunsthaus mit dem Internet? Mit welchen Erfahrungen?

Selbstverständlich spielt es eine wichtige Rolle. Wir haben auf unserer Website die Ausstellungsansichten früher als üblich veröffentlicht. Erfreulicherweise sind diese von mehreren Blogs geteilt worden. Ich habe auch den Eindruck, dass unser Instagram-Account im Moment häufig besucht wird. Wahrscheinlich verbringen einige Leute mehr Zeit auf den sozialen Medien und schauen sich Dinge gezielt online an. Persönlich schaue ich die konkreten Bewegungen auf unserer Website nur selten an, weil diese Zahlen nur bedingt etwas aussagen. Man kann sich mit der ständigen Verfolgung der Klicks und Likes auch verrückt machen. Anne Gruber, unsere Kunstvermittlerin hat einen Scroll-Rundgang durch die Ausstellung von Caroline Bachmann für Schulklassen sowie Kinder und Erwachsene gemacht. Sonst haben wir keine weiteren digitalen Formate angeboten. Wir sind ein kleines Museum und haben gar nicht die Kapazitäten, wie einige grössere Häuser die online ein sehr breites Angebot haben. Zudem haben wir uns bewusst für ein weiteres Format entschieden, welches nicht im digitalen Raum stattfindet, sondern die analogen Zeitungsleser anspricht. Die Südostschweiz gibt uns die Möglichkeit, einmal wöchentlich einen Sammlungseinblick, also einen kurzen Text zu einem Werk aus unserer Sammlung zu publizieren. Gefordert sind auch die Leser: Wir haben sie danach gefragt mit eigenen Beiträgen auf die vorgestellten Werke zu reagieren. Ich persönlich freue mich über Plattformen, die zur Zeit Filme von Künstlern*innen zeigen. Noch viel mehr aber bald wieder Ausstellungen zu besuchen. Wir möchten, dass die Kunstinteressierten sich die Werke, sobald das Haus wieder offen ist, im Original anschauen kommen. Bei all diesen Möglichkeiten: Ich denke die Wahrnehmung im Kunstraum zu ersetzen ist schwierig. Sie ist oft mit Gefühlen verbunden und die Betrachter reagieren auf die Werke individuell, also sehr persönlich.

Was tun Künstler in der Zeit der Schliessung für die Bewerbung ihrer Arbeiten?

Manche nutzen wie die Institutionen das Internet für die Publikation eigener Arbeiten. Die Künstler haben dazu allerdings sehr unterschiedliche Haltungen. Es eignet sich nicht jede Praxis gleich gut, online dokumentiert zu werden. Ich kenne auch Kunstschaffende, die es vorziehen sich jetzt aufs Arbeiten  zu konzentrieren und die Ruhe zu nutzen.

Was wird in der Schweiz für die Unterstützung der Kunstschaffenden während dem "Lockdown" gemacht?

Den Schweizer Institutionen ist es ein Anliegen, keine Projekte absagen zu müssen. Sehr viele Ausstellungen müssen verschoben werden. Institutionen und Museen versuchen  ihre Kunstschaffenden und die Ausstellungen mit online-Angeboten zu unterstützen, über die wir vorher gesprochen haben. Die Kunstschaffenden brauchen aber auch finanziellen Support, weil der grösste Teil von ihnen nicht  von ihrer Kunst leben kann. Viele Künstler*innen haben Nebenjobs, mit welchen sie sich den Lebensunterhalt sichern. Es sind oft prekäre Jobs, die besonders von der Corona-Krise betroffen sind, beispielsweise im Service. Einige arbeiten aber auch in Institutionen und Museen, die im Moment geschlossen sind. Hier wird sich erst noch zeigen müssen, wie effizient die Unterstützung vom Bund an die Kultur auch direkt bei den Kunstschaffenden ankommt.

Was geschieht bis zur Wiedereröffnung am 11. Mai 2020?

Die erzwungene Pause hat auch seine Vorteile. Wir haben die zur Verfügung stehende Zeit genutzt um Hintergrund- und Aufräumarbeiten voranzutreiben. Wir haben Arbeiten mit den Sammlungen erledigt und auch unsere Bibliothek konnten wir endlich fertig einrichten.

Welche möglichen Folgen hat die Corona-Krise für den künftigen Ausstellungsbetrieb? Welche Rolle kann dabei das Internet spielen?

Kurz- und wohl auch mittelfristig haben etwa die Reiseeinschränkungen Folgen für den Ausstellungsbetrieb. Wann können Künstler*innen wieder in andere Länder reisen um Ausstellungen aufzubauen? Auch viele Produktionen sind zur Zeit verzögert, Transporte gestalten sich komplizierter. Sicherlich werden auch die Folgen der Wirtschaftskrise für den Ausstellungsbetrieb spürbar sein. Zur Zeit stellt sich auch die Frage, wie sich der globale Kunstmarkt weiterentwickeln wird. Eine Kunstmesse nach der anderen musste abgesagt weden. Sorgen machen sich die Schweizer Museen, insbesondere die kleinen Institutionen um ihre zukünftige Finanzierung; dazu gehört auch das Kunsthaus Glarus. Welche Auswirkungen hat die Wirtschaftskrise auf Stiftungen und die Kulturförderung im Allgemeinen? Unser Ausstellungsprogramm ist auf externe Geldgeber angewiesen. 
Das Internet ist als Plattform nun auf jeden Fall intensiver genutzt worden. Es wird sich aber auch zeigen, wo die Grenzen sind und wie wichtig der persönliche und direkte Austausch ist. Viele Leute vermissen diese Austauschmöglichkeiten.

Welche Konsequenzen zieht das Kunsthaus aus dem "Lockdown"? 

Wir bremsen unser Tempo, wie das alle zu dieser Zeit tun müssen. Dieses Jahr wird es nur drei Ausstellungen geben. Zur  Zeit ist auch noch unklar, wann wir die nächste Ausstellung eröffnen können. Zuerst müssen die Künstler*innen aus dem Ausland, die ich eingeladen habe, auch wieder reisen und arbeiten können

Eduard Hauser:
Das Fazit kann sein, dass es viele Unsicherheiten in der Planung und Durchführung von Ausstellungen gibt. Weiter sind die Möglichkeiten über das Internet und Social Media hilfreich, ersetzen aber die dirkete Auseinandersetzung mit der Kunst vor Ort nicht. Viele Künstler*innen sind in finanzielle Notlagen gekommen und müssen darüber besorgt sein, wie sie die Existenz sichern können. Über die Zukunft der Museen und Institutionen herrscht noch Ungewissheit. Klar ist, dass Institutionen wie das Kunsthaus Glarus von externen Finanzierungen abhängig ist.

Vielen Dank, liebe Judith, für Deine Antworten!

Autor

Kulturblogger Glarus

Contact

Hauser Eduard
Blogger
Biäschenstrasse 10
8872 Weesen
hauser.eduard@gmail.com
079 436 45 66

Category

  • Art / design

Published on

07.05.2020

Webcode

www.glarneragenda.ch/xWStG2